Geeint durch eine bemerkenswerte Arroganz gegen alles Etablierte machten sich die Jungs von der Kunstakademie im Frühjahr 1963 auf den Weg. Weil keiner ihre Werke ausstellen wollte, nahmen Richter, Sigmar Polke, Konrad Lueg und Manfred Kuttner ihr Glück selbst in die Hand. An Bord eines alten Peugeot tourten die Studenten durch Düsseldorf, auf der Suche nach dem passenden Ort. In der Kaiserstraße 31A fanden sie schließlich, was sie suchten: Die alte Metzgerei stand kurz vor dem Abriss und war billig zu mieten.
Zwischen eilig gekalkten Wänden und mit reichlich Schaumwein in den Gläsern wurde am 11. Mai 1963 Eröffnung gefeiert. Eine Ausstellung, die Kunstgeschichte geschrieben hat. Zum einen, weil Richter, Polke und Co dabei erstmals das selbst erfundene Label „Kapitalistischer Realismus“ für die eigene Kunst in Umlauf brachten. Zum anderen auch, weil hier vier Newcomer ihren Einstand gaben, von denen sich in der Folge zumindest drei als Superstars auf dem internationalen Kunstparkett platzierten. Polke und Richter als Großkünstler und Lueg, unter seinem wahren Namen Konrad Fischer, als Avantgarde-Galerist mit internationalem Top-Renommee.
Beim Metzgerei-Debüt konnten sie an jenem Abend im Mai 1963 Joseph Beuys und Günther Uecker begrüßen. Außerdem Heinz Mack, Gotthard Graubner und nicht wenige Vertreter der Presse, die im Anschluss rege, wenn auch nicht immer aufgeschlossen berichteten. Kein Wunder, schien doch zumindest gewöhnungsbedürftig, was das Quartett da unter dem Begriff „Kapitalistischer Realismus“ zum Besten gab. Kuttner hatte einen Stuhl mit roter Leuchtfarbe gestrichen und präsentierte ihn im Schaufenster mit dem Hinweis: „Der Heilige Stuhl“.
Darauf postierte Lueg ein OMO-Waschmittelpaket, das er durch Drehung des mittleren Buchstabens als OWO-Packung ausgab. Neben dem Stuhl kopfüber zwei Puppen, von Richter in einen Rahmen gefasst. Und Polke ließ vom Fenstersturz an einer Schnur sein Bündel bunter Illustrierter herabhängen – „Massenmedien“, so der Titel. Dem legendären Auftritt folgten noch ein paar ähnlich originelle Aktionen. Doch hielt die Gemeinschaft nicht lang: Der Kumpel war immer auch Konkurrent.
Und so trennten sich die Wege der Akademieabsolventen ab 1965 allmählich. „Ich habe noch gut in Erinnerung, wie eng diese Freundschaft damals war“, erinnerte sich Richter viel später. „Aber wie hart das manchmal auch war. Das war mir damals gar nicht so bewusst. Im Nachhinein wundere ich mich, dass das so brutal war.“