Im Porträt: Sigmar Polke

Köpfe
Sigmar Polke war der Ironiker unter den Malerstars. Ein Mann, der dem hehren Geschäft des Kunst-Machens mit guter Laune nachging. Er galt als großer Experimentator, dem die Chemie zum „Malen“ von Bildern und das Riffelglas zum Erzeugen von Wackelbildern dienten.

Sigmar Polke war der Ironiker unter den Malerstars. Ein Mann, der dem hehren Geschäft des Kunst-Machens mit guter Laune nachging. Er galt als großer Experimentator, dem die Chemie zum „Malen“ von Bildern und das Riffelglas zum Erzeugen von Wackelbildern dienten. Obwohl der Kölner Künstler (1941–2011) in Rankings stets an vorderster Stelle geführt wurde, hatte er sich das Lachen über Kunst und Gesellschaft bewahrt. Sigmar Polke spielte, wo andere kämpften. Zum 80. Geburtstag gratulierten das Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg und die Kunsthalle Düsseldorf 2021 mit Sonderausstellungen.

Am 23. März 1941 im niederschlesischen Oels geboren, kam Polke 1953 nach Westdeutschland, absolvierte eine Glasmalereilehre in Düsseldorf und studierte anschließend bis 1967 an der Kunstakademie bei den informellen Malern Karl-Otto Götz und Gerhard Hoehme. 1963 saß er mit dem späteren Galeristen Konrad Fischer und dem Kommilitonen Gerhard Richter in einem Düsseldorfer Möbelhaus und stellte sich selbst aus. Die Aktion lief unter dem Begriff des „Kapitalistischen Realismus“ als Persiflage auf den Sozialistischen Realismus der DDR und den allgemeinen Kaufrausch der BRD. Während die Deutschen Kühlschränke und Möbelstücke erwarben, konzentrierte Polke sich auf Dekorationsstoffe und gerasterte Zeitungsbilder. Scheinbar naiv setzte er Stoffdrucke mit blumigen und abstrakten Mustern ein, als seien sie gemalt. 1968 stellte er Dürers Hasen auf eine karierte Wolldecke und konturierte ihn später mit einem Gummiband.

Als er noch kein Heer von Assistenten in seinem Kölner Atelier beschäftigte, hantierte er selbst im Schutzanzug mit gefährlichen Rohstoffen wie Bleimennige, Mangan, Kobalt oder Silberbromid, bewachte die Oxydation dampfender Essenzen und suchte nach der magischen Schönheit im bloßen Material. Dieser Alchimist der Kunst, der 1977 bis 1991 einen Lehrstuhl an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste innehatte, erzeugte 1982 „Negativwerte“ mit violettem Pigment und Öl auf einem Untergrund aus Rostschutzfarbe. Ihren rätselhaften Glanz erhielten die Bilder durch synthetische Farbpigmente mit Benzin und Petrol. 1986 wurde er im Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen geehrt. Hier hatte er Großleinwände mit lichtempfindlichen Chemikalien, Pigmenten, Körnern, Graphit und Gummiarabikum bestrichen oder bestreut und dann die Bilder von der Sonne und der Feuchtigkeit am Canal Grande „malen“ lassen. Sie erinnern an fiktive Landschaften, an Übergänge vom Diesseits ins Jenseits, an konkrete und magische Schau-Räume.

Polke war nicht nur ein Alchimist, der mit der Ungreifbarkeit von Farbe und Licht spielte. 1963 hatte er erstmals das Rasterprinzip der massenmedialen Bilddrucktechnik als Motiv und Methode für seine Kunst entdeckt – als Vexierspiel zwischen dreidimensionalen Gegenständen und zweidimensionalen abstrakten Bildpunkten. Bei den „Linsenbildern“ um 2003 behandelte er seine Bildträger mit Silikonmasse und geriffelter Rakel, so dass gewellte Oberflächen entstanden. Sie flimmern wie Wackelbilder oder Holografien, die Bildebenen durchdringen einander wie in einer psychedelischen Phantasmagorie. Man kann die Motive nicht genau orten, weil die transparenten Kunststoffschichten den Blick auf den Bildgrund verwehren.

2009 schlug Polke einen Bogen zu seinen Anfängen als Glaskünstler. Der Meister der Grenzauflösung, der am 11. Juni 2011 in Köln gestorben ist, gestaltete im Zürcher Großmünster spektakuläre Fenster. Im schillernden Wechselspiel aus dünnen geschliffenen Scheiben aus Achat und Glas behandelt er das Mysterium der Menschwerdung Gottes. Wieder ging es um ein Changieren verschiedener Seh- und Deutungsweisen im sublimen Farbspiel.

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