Auf den ersten Blick? Zu sehen ist ein kleiner Plastikfernseher, den es früher an Ausflugspunkten zu kaufen gab. Per Klick wanderten langsam pittoreske Landschaftsbilder am Auge der Betrachter vorbei. Swaantje Güntzel hat daraus eine Art Mini-Installation gemacht – die ebenfalls Szenen zeigt. Nur pittoreske eben nicht: Ihr "Souvenirfernseher" zeigt die Künstlerin am 18. November 2023. Jenem Tag, an dem sie sich selbst mit einer Eiswürfelmaschine am Arktischen Ozean zeigte. Eine friedliche Szene - die einiges an Hintersinn bereit hält. Denn gefüllt hatte die Hamburger Künstlerin das Technikgerät mit Schmelzwasser vom Nordpol. Mit den daraus produzierten Eiswürfeln reiste die Künstlerin ans Eismeer, allerdings so klimaneutral wie möglich: Mit Bahn, Bus und Fähre – Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe waren ausgeschlossen. Und selbstverständlich wurde die Eiswürfelmaschine mit Solarstrom betrieben. Doch mit ihr hatte sie künstlich hergestelltes Eis an eben jenen Punkt der Erde gebracht, der eigentlich reichlich davon bereit halten sollte. Wenn die Pole nicht schmelzen würden. Und der Klimawandel weiter voranschreiten.
Es sind Aktionen wie diese, mit denen Swaantje Güntzel die Entfremdung des Menschen von der Natur, Umweltzerstörung und die Auswirkungen der Klimakrise thematisiert und auf ihre Art sichtbar macht.
In Detmold zeigt sie nun Arbeiten, die am Research Institut for Substainability, einem Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit in Potsdam, entstanden. Dort ist sie seit Juli 2023 "Art Fellow". Ihr Ausgangspunkt? "Ich habe mich zunächst mit Bildern beschäftigt, die unsere Vorstellung von der Arktis geprägt haben", erzählt die Künstlerin. Zudem sei es auch um die Frage gegangen, wie wir heute auf die Region schauen und vor allem, welche Bilder von ihr kursieren.
Los ging's mit einer langen Recherchephase, in der sie vor allem unterschiedliche Datenbanken wie getty oder alamy nutzte. "Zu Beginn des Fellowships habe ich die ersten Wochen nur damit verbracht, 40.000 Einträge auf ebay durchzuarbeiten, die auftauchen wenn man das Suchwort "Arktis" eingibt." Aufschlussreich sei gewesen, was alles im Kontext "Arktis" bzw. "Arktisch" verstanden und angeboten würde – als Ausdruck dafür, welches Bild wir heute von diesem Teil der Welt hätten: "Grundsätzlich ist es so, dass damals wie heute die Region stereotyp und unterkomplex wahrgenommen (und abgebildet) wird", sagt Güntzel. Die Bilder, die produziert werden, sagten mehr über diejenigen aus, die sie veranlasst haben, als über das, was abgebildet wird."
Im Laufe der Zeit hätte sich der Wunsch, die Arktis als unbewohnt und unberührt anzusehen, kaum geändert – das legten Aufnahmen der Nordpolexpeditionen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahe. Zudem hatte Güntzel auf Auktionsplattformen und Ansichtskartenplattformen recherchiert - und mit KI experimentiert. Schließlich steckten hinter Bildern, die die Künstliche Intelligenz generiere, wiederum von Menschen geschaffene Szenarien.
In Detmold zeigt Swaantje Güntzel verschiedenste Ansätze ihrer Konzeptkunst, die auch von der Arktis-Begeisterung der 1920er Jahre erzählt - ausgehend etwa von einem Pressefoto der Tänzerin Blanche Satchel und ihrer Eiszapfenkette, die sie mit Stolz trägt. Dazu eine Serie an Postkarten deutscher Orte mit Arktis-Bezug (etwa der Grömitzer Standhalle mit ihrem Restaurant "Nordpol") bis zur Ansicht eines Eisbären im Diamont-Painting-Format.