Mit 120 Gebäuden, deren Innenräume als historische Schatzkammern entdeckt werden können, gelingt die Umsetzung aber außergewöhnlich gut. So etwa in der Wassermühle aus Melle direkt hinter dem Eingangsbereich des Museums.
Mit großen Augen schauen Besuchende bereits von außen auf das oberschlächtige Wasserrad, das mit Wasser aus dem benachbarten Stauteich angetrieben wird. Wie ein unermüdliches Perpetuum mobile dreht es seine Runden. Beim Schritt über die Türschwelle wird Geschichtsfans schließlich klar, welche Funktion die hölzerne Konstruktion eigentlich hat. Sie treibt eine Maschine an, mit der jahrzehntelang Flachs verarbeitet wurde.
Sie besteht aus einem Hammerwerk mit senkrecht stehendem, schweren Eichenbalken. Eine Welle hebt mehrere Stampfen nacheinander an, die mit großer Wucht immer wieder niedersausen. Kaum zu glauben: Zu Betriebszeiten saßen einst vier Arbeiter:innen gleichzeitig vor den Gewichten und legten jeweils zwei Hände voll Flachs darunter. Das Gewicht half dabei, die verschiedenen Pflanzenteile voneinander zu trennen. Wie viele Verletzte es wohl an diesem Posten gegeben haben mag? Die Arbeit um 1925 scheint in den westfälischen Boke- und Stampfmühlen gefährlich gewesen zu sein.
Ein Stück weiter des Weges stoßen Ausflügler*innen im Norden auf einige bäuerliche Hofanlagen inklusive Kotten. Hier ziehen Bummelnde an Transportkarren vorbei, erforschen niederdeutsche Hallenhäuser und machen originalgetreue Einrichtungsgegenstände aus. Mal ist es eine beschlagene Truhe für Güter, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht, mal die offene Feuerstelle mit Befestigung und eingehängtem Kessel. Dieser Bereich des Museums deckt aktuell das Osnabrücker und Mindener Land sowie das Lipper Bergland ab.
Hier lassen sich auch funktionelle Gebäude aus vergangener Zeit wie ein Schafstall, ein Schweineschuppen oder ein Bienenhaus auskundschaften. „Fast wie im Märchen“, beschreibt eine Besucherin den Gartenbereich des Lippischen Meierhofes, der mit saftigem Grün aufwartet. Sie erfährt anhand kleiner Schilder im Boden, welche verschiedenen Pflanzenarten hier wachsen.
Von der gefälligen Oase führt ein Pfad schließlich zu mehreren Getreidefeldern. Der Weg erstreckt sich östlich zur Baugruppe Paderborner Land und Weserbergland, wo ein geschlossenes Haufendorf auf Gäste wartet, die sich die vorherrschende Siedlungsform im Osten Westfalens mit ihren Einzelbauten erschließen wollen. Mit Wohn- und Arbeitsstätten verschiedener sozialer Schichten macht das Museum exemplarisch auf das differenzierte und verflochtene Sozialgefüge eines ehemaligen Ballungszentrums in dieser Region aufmerksam. Aufschlussreich ist das Wandeln durch die historischen Gassen. Bis zu dem berühmten Valepagenhof sind es nur wenige Meter. Er ist vor allem wegen der prachtvollen Schnitzereien in der nahezu unveränderten Giebelfront aus dem Jahr 1577 bekannt.
Gäste, die nun den Rückweg zu Fuß oder mit einem Pferdewagen antreten, kommen automatisch am Gräftenhof aus dem Münsterland vorbei. Sein Haupthaus, das aus der Bauerschaft Alst bei Albersloh stammt, steht als Schmuckstück bereits seit 1969 im Museum. Der dargestellte Zustand um 1800 lässt an großen Fenstern mit Bleiverglasung erkennen, dass die frühere Besitzerfamilie Schulte ihr Vermögen zur Schau stellen wollte. Es ist mit 42 Metern Länge und 15 Metern Breite nicht nur das größte niederdeutsche Hallenhaus des Freilichtmuseums, sondern nach LWL-Angaben auch das größte seiner Art in Deutschland.
Bereits im Jahr 2025 soll die Anlage, die seit seiner Eröffnung am 7. Juli 1971 stetig wächst, sogar noch größer und attraktiver für Gäste werden: Derzeit baut der LWL ein neues Eingangs- und Ausstellungsgebäude für Sonderausstellungen und besondere Depotschätze. Das Modellprojekt für nachhaltiges Bauen und zukunftsweisende Technologien umfasst unter anderem drei versetzt in den Hang platzierte Gebäudeteile, eine Freitreppe, Gartenanalagen und ein Aussichtsplateau. Es leitet gekonnt zum Platz am Mühlenteich über, der dann die Rolle eines vielseitig bespielbaren Dorfplatzes einnehmen soll.