
Ein älterer Mann mit Aktentasche betritt einen Bahnsteig: Potsdam West. Ein Schild benennt als Ziel: Potsdam Hbf. Ein zweiter Mann liest Neues Deutschland. Der Blick auf die Bahnhofsuhr zeigt beide Zeiger auf Null: Sie steht. Ein junges Mädchen schaut argwöhnisch und ungeduldig, weil ein Prüfungstermin warte, wie sie sagt. Der Mann meint: „Der kommt noch nicht ... Da muss erst der Transit von Westberlin durch.“ Am Himmel lassen Zugvögel von sich hören. Der Schaffner, der das Schild auswechselt, auf dem nun Paris als Ziel steht, serviert heißen Tee. – Spätestens hier erkennen wir den satirischen Impuls und/oder auch den sehnsüchtigen.
Ein Punk arbeitet sich an einem klemmenden Fahrkartenautomaten ab, der irgendwann doch noch etwas ausspuckt. Ein weiterer Mann mit Baskenmütze tippt auf seiner Reiseschreibmaschine eine Eingabe. Schließlich kommt der Triebwagen: Abfahrt. Und der Zeiger der Uhr springt vorwärts. Der Mann verlässt nun den Bahnhof, betritt ein Lichtspieltheater und legt in der Vorführerkabine einen Film ein. Betrübt sieht er zu, wie das Zelluloid durch den Projektor läuft. Wie und wann erfüllt sich der Wunsch nach einer anderen Wirklichkeit?
Diese meisterlich erzählte Episode in 18 Minuten könnte auch eine Tschechow-Novelle sein, die Wes Anderson verfilmt hat. Hier wird sie zum Schlussgesang auf einen untergehenden Staat.