Vom barocken Adelssitz bis zum Tante-Emma-Laden: Niederrheinisches Freilichtmuseum

OrteGeschichteGrefrath
Das Niederrheinische Freilichtmuseum des Kreises Viersen ist ein wahrer Exot unter den Open-Air-Museen: Das in Grefrath gelegene Museum ist detailverliebt im Kleinen und übersichtlich im Großen. Die bäuerlich-handwerkliche Geschichte des Niederrheins vermittelt es anhand geschichtsträchtiger Hofanlagen und Werkstätten auf einem rund vier Hektar großen Gelände. Sonderausstellungen machen Gäste auf Themen mit viel Lokalkolorit aufmerksam: „Frömmigkeit und Aberglaube“, „Technisierung der Landwirtschaft“ und „Volkskunde“.

Mal ist es die Museumsweberei in einem Vorratsgebäude aus dem 18. Jahrhundert mit einer Schau zur Leinenherstellung, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mal beeindruckt die Kornbrennerei Vallen Erben aus Straelen mit einem großen Maschinen- und Gerätepark, der den technischen Stand um 1910 repräsentiert.

Ein idyllischer Rundweg führt zwischen Nutzgärten, Streuobstwiesen und Kopfweiden von Station zu Station. Am Wegesrand entdecken Zeitreisende zum einen religiöse Wegdenkmäler wie kleine Figurenaltäre und Jesuskreuze, die auf die Religiosität des hauptsächlich katholisch geprägten Niederrheins hinweisen. Zum anderen machen sie Nutztiere wie Kaltblutpferde, Esel, Hühner und Gänse auf den Wiesen aus, die in den vergangenen Jahrhunderten auf den niederrheinischen Höfen eine wichtige Rolle spielten.

Für eine Genusspause hat ein historischer Tante-Emma-Laden geöffnet – im Wohn-Stall-Haus der Hofanlage Waldniel: Das nostalgisch anmutende Schmuckstück, das Gäste in die 1950er- bis 1970er-Jahre versetzt, zeichnet sich aus durch Detailverliebtheit und Retro-Charme. An der Türe weist eine mit Kreide beschriebene Tafel auf die Spezialitäten des Tages hin. Innen flimmert neben dem alten Persil-Werbeschild eine Leuchtreklame über der Holztheke, auf der eine mechanische Kasse steht. Neben Kuchen und Keksen bietet der Shop Marmeladen- und Honiggläser an, die in Vitrinen und Auslagen stehen. Schnell merken die Kund*innen: Das Motto „Typisch hausgemacht“ hat hier hohen Stellenwert. Bonbons werden noch einzeln abgezählt und niederrheinische Spezialitäten wie Branntweine, Brot, selbstgebackene Kuchen und frische Eier sorgsam zum Mitnehmen verpackt.

Nach dem sentimentalen Shoppingvergnügen gelangen Gäste schließlich zum barocken Adelssitz: der 1326 erstmals erwähnten Dorenburg. Sie ist eindeutig das Herzstück der gesamten Museumsanlage. Der zweiflügelige Prunkbau erhielt seine heutige Form im 17. Jahrhundert und wurde 1967 bis 1973 zu Museumszwecken ausgebaut. Wer die luxuriösen Räume betritt, entdeckt vom aufwendig gestalteten Porträtgemälde über den funkelnden Kronleuchter bis zur offenen Kochstelle die Wohn- und Repräsentationskultur des niederrheinischen Adels.

Der Höhepunkt des gepflegten Rückblicks auf vergangene Zeiten steht noch bevor: der Besuch des Spielzeugmuseums, das im ehemaligen Wirtschaftsgebäude der Dorenburg untergebracht ist. Auf drei Etagen folgen Gäste dem Weg durch drei Jahrhunderte der Spielzeugproduktion. Sie finden Klassiker wie die ersten Versionen von Monopoly, begutachten Lern- wie Unterhaltungsspiele und wundern sich, wenn sie die zahlreichen Propaganda-Spiele entdecken. Die Bandbreite der Exponate reicht von Puppen über Teestuben zu Spielzeugherden und Teddybären. Mini-Rennwagen und -Flugzeuge dürfen neben dem Kasperle-Theater mit Handpuppen, Seifenkisten und Spielekonsolen nicht fehlen. Der Höhepunkt ist eine riesige Modelleisenbahnanlage im Obergeschoss – eine eindeutige Besonderheit in der Freilichtmuseumslandschaft.

Niederrheinisches Freilichtmuseum des Kreises Viersen, Am Freilichtmuseum 1, 47929 Grefrath

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