Kunst

"flüstern" in Detmold

05.01.2025 - 02.03.2025
Die Düsseldorfer Bildhauerin Nele Waldert zeigt in ihrer Ausstellung "flüstern" der Galerie Mellies collagenhafte figurative Skulpturen.

Hierzulande kennen wir den Ausdruck „sich einen Ast lachen“. Das Wort „Ast“ war im 19. Jahrhundert ein anderes Wort für einen krummen Rücken oder Buckel. Vielleicht beziehen sich Nele Walderts wundersame Figuren auf derartige volkstümliche Redensarten, die es als Referenzen noch vielerlei auf der Welt gibt.

In ihren Skulpturen wachsen oft Äste aus Körpern, und Menschen beginnen sich regelrecht in Bäume zu verwandeln. Sie kombiniert den Mensch collagenhaft mit Dingen aus der Natur, transformiert beides untereinander, justiert es neu und schiebt es, wie in einer semipermeablen Membran, immer wieder hin und her. Bis ihre Figuren zu Zwitterwesen, Gestaltwandlern und Chimären werden. 

Der Mensch wird halb zum Ast, halb zur Wurzel, halb zur Vase, halb zum Glas. Die Birke, der Strauch, der Tannenzapfen, wird Mensch. Alles scheint sich permanent auszutauschen und gegenseitig zu bedingen. Wird einem Mix unterzogen und von Nele Waldert in etwas verwandelt, das mal freundlich, mal schaurig wirkt.

Neben diesem Spiel mit der Natur nutzt Nele Waldert aber auch ganz profane Gegenstände, die sie ihren Figuren manchmal regelrecht einpflanzt und einverleibt. Mal ist es eine pelzbehaftete Schulter, mal eine Vasenscherbe, mal ein reusenartiger Umhang aus Rattangeflecht, der an viktorianische Käfig-Krinolinen aus stoff-ummantelten Fischgräten erinnert, die die Skulpturen so komplett machen und in der Schwebe halten. 

Die Figuren wirken androgyn und symbolistisch. Sie tragen keinerlei individuellen Züge, schauen fast geistesabwesend und haben mit ihren verwehten Blicken, die uns etwas trostlos zu mustern scheinen, oft ein und denselben lakonischen Gesichtsausdruck. 

Die Deformationen ihrer Körper sind es erst, die sie zum Leben erwecken. Denn je gleichförmiger ihre Gesichter, desto mehr variieren die kleinwüchsigen Körperhaltungen, die hervorquellenden, wurzelnen Glieder.

Aus Nele Walderts Figuren schimmert eine Utopie hervor. Der Wunsch, die Sehnsucht nach Zusammengehörigkeit, nach etwas friedlich-Vereintem, danach alles Trennliche in ihren oft wahnwitzigen Figuren aufzuheben und Einklänge in diesen neuen Phänomenen zu erzeugen. Um es zu schützen. Um eine Brücke zu schlagen. Vom Menschen zur Natur. Zwischen Wachen und Träumen. Nicht um beides einzufrieden. Sondern um deren permanente Zwiegespräche und Koexistenz auf ein anderes, bewussteres Level zu heben.

„Wer zuviel weiß, dem wächst ein Baum aus dem Genick“ (irisches Sprichwort)

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05.01.2025 - 02.03.2025

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