Die ehemalige Kraftzentrale des stillgelegten Hüttenwerks Meiderich hatte Festkleidung angelegt: Ihre Außenfassade umschloss ein großformatiger Bilderfries von Bernd und Hilla Becher, der längst beseitigte Hochöfen, Gasbehälter, Kühl- und Fördertürme zeigte. Indessen war im Innern der Halle eine Ausstellung aufgebaut, welche alle 118 Projekte der IBA, darunter viele restaurierte Industriegebäude und Siedlungen des Reviers, in Fotos vorstellte: Eine illustrierte Einführung, ein Schaukasten des Strukturwandels.
Auch die Bundesregierung hatte den Rang des Ereignisses erkannt. Kein Geringerer als Bundeskanzler Gerhard Schröder hielt die Festansprache, und Ministerpräsident Wolfgang Clement bedankte sich so feierlich bei ihm, dass er, ungewöhnlich zwischen Spitzengenossen, zum „Sie“ überging: „Dass Sie gekommen sind und was Sie gesagt haben, das macht Mut und gibt Zuversicht“.
Die maßgebliche Rede aber blieb Karl Ganser vorbehalten, der dieses größte Strukturprogramm in Deutschland, gemeinsam mit dem damaligen Städtebauminister Christoph Zöpel, vorbereitet und dann zehn Jahre lang als Geschäftsführer durchgezogen, auch durchgeboxt hatte. Seine Ausführungen wurden, von einschlägigem Bildmaterial begleitet, zu einer „tour d’horizon“ des Gesamtunternehmens und damit auch zu einer Reflexion über Ökologie und Ökonomie, Stadtentwicklung und Kulturförderung am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts.
Denn die IBA, in der siebzehn Städte kooperierten, war mehr als eine klassische Bauausstellung. Ihr Konzept reichte über Architektur und Städtebau hinaus: Umbau des Emscher-Systems, Emscher Landschaftspark, Industriedenkmalpflege, Wohnungsbau sowie die Entwicklung von Brachen zu Industrie- und Gewerbeflächen standen auf der Agenda.
Anschaulich erläuterte Ganser die IBA-Philosophie des „Wandels ohne Wachstums“ und plädierte nachdrücklich für eine Kreislaufwirtschaft beim Flächenverbrauch, im Gebäudebestand, in Energieverbrauch und Wasserwirtschaft. Was die IBA gemacht habe, so seine pointierte Untertreibung, sei, dass sie nichts gemacht habe: „Was man heute stehen lässt“, so eine „Bauernregel“ des Landwirtsohns aus Oberschwaben, „kann man morgen immer noch abreißen“. Oder eben auch nicht. Was meist besser ist. So habe die IBA das Prinzip „Stadt frisst Natur“, welches das Ruhrgebiet hundertfünfzig Jahre lang beherrschte, umgedreht: „Natur frisst Stadt“ - und bringt sie zurück in die Siedlungsräume.
Indem Ganser den Emscher Landschaftspark, der bis 2030 auf einer Länge von siebzig Kilometern zwischen Duisburg und Hamm entstehen soll, als die „größte Parkbaustelle Europas“ und das Ruhrgebiet als die „erste Region der Welt“ hervorhob, die „durch den Umbau einer alten Industrielandschaft zu einer neuen Kulturlandschaft“ werde, erklärte er das Revier zugleich zum Modell, das neue Maßstäbe setzt.
So war seine Rede auch eine Aufforderung zum Stolz, hatte die IBA mit ihren identitätsstiftenden Projekten doch schon länger ein neues Selbstbewusstsein der Region ausbilden helfen. Die Fülle der Motivationen, die sie frei- und umgesetzt hat, aufzufangen und dafür Nachfolgestrukturen zu entwickeln, gehört zu ihrem Erbe, ist Hinterlassenschaft und Herausforderung für die Zukunft.