Kunst

Paradoxes als künstlerische Praxis: Roni Horn im Museum Ludwig

23.03.2024 - 11.08.2024
Fotografie, Zeichnung, Künstlerbuch, Skulptur und Installation – das alles (und womöglich noch mehr) bringt Roni Horn unter den Hut ihrer Kunst. Die Amerikanerin (Jahrgang 1955) ist die Personifizierung von Vielfalt. So kann das Museum Ludwig bei seiner Retrospektive aus dem Vollen schöpfen.

Mehr als 100 Arbeiten präsentiert die Ausstellung „Give Me Paradox or Give Me Death“. Da gibt es Porträtfotografien, beispielsweise von Horns Nichte, der Schauspielerin Isabelle Huppert oder von der Künstlerin selbst – in Form von Serien bringen sie die Facetten einer Persönlichkeit zum Ausdruck. Breiten Raum nehmen abstrakte Zeichnungen ein. Ferner findet man Collagen, in denen Biografisches sowie verstreute Notizen und Skizzen zu einer Vielzahl von Themen eine komplexe Liaison eingehen. Außerdem minimalistische Bodenplastiken, die mal aus Blattgold bestehen, mal aus Gussglas, mal aus Gummimatten. Nicht zu vergessen Fotos der Themse, Wortspiele, Literaturzitate und Aufnahmen von ausgestopften Vögeln.

Roni Horn zählt zur Kategorie der ‚Serientäterinnen‘: Zahlreiche ihrer Werke bestehen aus einem vielteiligen Ganzen, das mehr ist als die Summe der Elemente. Das gilt beispielsweise für „This is Me, This is You“ – auf zwei einander gegenüberliegenden Wänden sind jeweils 48 Fotografien angebracht, Porträts der Nichte von Horn, über einen Zeitraum von zwei Jahren aufgenommen. Was die Arbeit so faszinierend macht, ist das Kompositionsprinzip: Jedes der 48 Detailbilder besitzt ein Pendant auf der gegenüberliegenden Wand. Freilich kein hundertprozentiges Lookalike, sondern ein Foto, das Bruchteile von Sekunden später entstanden ist. Den kaum merklichen Veränderungen durch vergleichendes Sehen nachzuspüren, ist eine Herausforderung, weil man nicht beide Wände gleichzeitig ins Visier nehmen kann.

Vergleichbar facettenreich ihr Gruppenbild mit Isabelle Huppert – in den Close-ups mimt die französische Schauspielerin verschiedene ihrer Filmrollen. Auch hier sind es nahe beieinander liegende Phasen, die in Horns Serie beinahe bruchlos zusammengefügt werden – eine Reverenz auch an die „Chronofotografie“ des Fotopioniers Eadweard Muybridge, der im 19. Jahrhundert auf diese Weise die Bewegungsphasen eines galoppierenden Pferdes festhielt.

„Die Paarform verweigert sich durch die Bedingung, doppelt zu sein, aktiv der Möglichkeit, als ein Ding an sich erfahren zu werden.“
Roni Horn

Eine Vorliebe für Paarungen, Pendants und Parallelerscheinungen zieht sich durch das gesamte Schaffen von Roni Horn. Sie kulminiert in ihrer Serie „a.k.a.“ (2008–2009): 30 Selbstporträts aus allen Lebensphasen sind hier zu 15 Paaren arrangiert. Vom Kleinkind über das All-American Girl bis zum androgynen Erscheinungsbild der Gegenwart erstreckt sich diese Galerie. Ein Musterbeispiel dafür, dass weder unsere Persönlichkeit noch unser Äußeres in Stein gemeißelt sind. Oder, wie es Roni Horn ausdrückt: „a.k.a. beinhaltet die Vielzahl in jedem von uns.“

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Paradoxes als künstlerische Praxis: Roni Horn im Museum Ludwig

23.03.2024 - 11.08.2024

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