Ein herausfordernder Schnelldurchlauf durch fast tausend Jahre, unzählige Grenzverschiebungen und bewegende Lebensläufe bis zur sehr persönlichen Geschichte von Marina Davydova selbst, die sich nach dem Angriffskrieg Russlands zurzeit bereits das zweite Mal auf der Flucht befindet.
„Es gibt nur eine Karte!“, tönt aus es einem Lautsprecher. „Nein, es gibt viele“ – eine andere Stimme widerspricht sofort. Im zweiten Kapitel der Inszenierung findet sich das Publikum inmitten eines Konflikts fünf ehemaliger Sowjetrepubliken wieder: Ukraine, Belarus, Georgien, Aserbaidschan und Armenien werfen mit unvereinbaren Deutungen der gemeinsamen Geschichte um sich. Die einzige Schauspielerin indes sagt zunächst nichts, führt stumm die Anweisungen der Stimmen aus.
Das Publikum befindet sich mal mitten in der Ausstellung und kann sich Details aus der Nähe ansehen: Kronjuwelen, Trachten, Landkarten oder auch Fotos von Revolutionären. Mal wird es auf die Tribüne gebeten. Immer wieder hört es neue Stimmen, neue Perspektiven. Von der Stimme des größenwahnsinnigen Russlands bis hin zum Monolog der Schauspielerin, die aus dem Leben von Marina Davydova erzählt: Geboren als Tochter eines Armeniers in Baku floh sie 1990 vor einem antiarmenischen Pogrom aus Aserbaidschan im Februar 2022 als russische Kriegsgegnerin aus Moskau.