Dass das Düsseldorfer Schumann-Haus heißt und nicht Robert-Schumann-Haus wie etwa in seiner Geburtsstadt Zwickau ist ein feiner Unterschied. Im Haus an der Bilker Straße, das sie von 1850 bis 1854 bewohnten, sollen beide Schumanns gewürdigt werden: Robert, einer der berühmtesten Komponisten der Romantik, und Clara, eine der großen Konzertpianistinnen ihrer Zeit und ebenfalls Komponistin.
Für 7,7 Millionen Euro hat die Stadt Düsseldorf die ehemalige Wohnung des Paars saniert, umgebaut und ein wirklich großartig kurzweiliges Museum mit einer interaktiven Ausstellung eingerichtet. Wie die Museumswerdung vonstatten ging, kann man bei einem 3D-Rundgang auf dem großen Tisch-Display im Ankunftsraum erahnen. Dort ist der Zustand vor der Sanierung zu sehen: Bis 2016 wurde das Haus normal bewohnt und hatte am Ende abgetretene Bodendielen, Wände mit vielen Farbschichten, herabfallenden Stuck, abgenutzte Türen und blätternde Fensterrahmen.
Mit restauratorischer Finesse haben die Arbeiter den original Stuck und die originale Farbe der Bodendielen wieder hergestellt. Außerdem haben sie durch einen Anbau samt Aufzug Barrierefreiheit gewährleistet. In diesem Anbau befindet sich auch der Ankunftsraum, der schon ein interessantes Museum für sich ist und das Warten mehr als versüßt, falls die Schumannsche Wohnung einmal zu voll sein sollte. An der Wand finden sich Zeitlinien, die die Lebensdaten Robert und Clara Schumanns mit weltgeschichtlichen und Düsseldorfer Ereignissen und Kuriosem verbinden. Kurios ist zum Beispiel der erste Satz, der am 26. Oktober 1861 über das neu erfundene Telefon übertragen wurde: „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.“
1861 war Robert schon nicht mehr am Leben. Er starb 1856 nur 46-jährig in einer Nervenheilanstalt bei Bonn. Sein stärker werdendes psychisches Leiden wurde in seiner Düsseldorfer Zeit schon evident und erreichte einen tragischen Höhepunkt mit einem Selbstmordversuch: Am 27. Februar 1854 warf er von einer Pontonbrücke über den Rhein bei Oberkassel erst seinen Ehering ins Wasser und sprang dann selbst hinein – konnte allerdings gerettet werden.
In der Schumann-Wohnung bekommen Besucher*innen eine Ahnung davon, dass die Beziehung zwischen dem Komponisten und Düsseldorf, wohin er als Musikdirektor berufen wurde, schnell eine konfliktbelastete war. Die Kurator*innen um die Direktorin des Heinrich-Heine-Instituts Sabine Brenner-Wilczek haben in einer kleinen Kammer der Wohnung eine „Gerüchteküche“ eingerichtet, die man auch „Lästerkammer“ nennen könnte. In einer Soundinstallation sind hier überlieferte Kommentare von Menschen aus der Stadt zu hören: „Er erschien so zerstreut!“, „Seine Dirigierweise ist eine Menschenquälerei!“
Neben solchen Kuriositäten werden allerdings auch 100 hochkarätige Exponate präsentiert – aus einer Sammlung, die über 1000 Objekte umfasst. Alle sind Originale aus ihrer Zeit wie etwa handgeschriebene Noten und Briefe der Schumanns. So können Besucherinnen und Besucher immer wiederkehren und Neues entdecken, denn manchmal werden die Exponate ausgewechselt. Die Objekte stammen aus der renommierten Schumann-Sammlung der Landeshauptstadt und werden oft interaktiv präsentiert.
In Robert Schumanns Arbeitszimmer steht etwa ein Schreibtisch, der seinem Original-Möbelstück nachempfunden ist und sich an allen erdenklichen Stellen öffnen lässt. Sogar in Ausgaben von Büchern aus dem 19. Jahrhundert, die der Komponist gelesen hat, darf man herum blättern.
Robert Schumann hat in seiner Zeit als umstrittener Musikdirektor am Rhein offenbar in jeder freien Sekunde komponiert. Ein Drittel seines Werks schuf er in Düsseldorf. Ein Teil davon lässt sich im Haus erkunden – und zwar nach dem Motto: Keine Note ohne ihren Klang. Wenn Handschriften etwa des berühmten Klavierkonzerts in a-moll oder seiner 3. Symphonie (der „Rheinischen“) ausgestellt sind, hängt immer ein Kopfhörer daneben oder das passende Klangbeispiel ertönt gleich aus im Raum angebrachten Lautsprechern.
Auf diese Weise kann man in einem ganz Clara Schumann und ihrem Wirken gewidmeten Raum auch ihre Romanze in Des-Dur für Klavier und Violine entdecken. Für Menschen, die tiefer in die Interpretationsgeschichte einsteigen wollen, gibt es auf einer Chaiselongue die Möglichkeit, mit einem Tablet und Kopfhörern drei unterschiedliche künstlerische Interpretationen einer Violinsonate Robert Schumanns miteinander zu verglichen: Die Herangehensweisen, die die Kuratoren mit „ausbalanciert“, „warm“ und „ausdrucksstark“ überschrieben haben, könnten unterschiedlicher nicht sein und zeigen, wie stark der individuelle Ausdruck der Spielenden in klassisch-romantischen Werken sein kann.
Vielleicht gerade weil das Museumskonzept keine Ausblicke aus der Wohnung zulässt und das Licht eher gedämpft ist, fühlt man sich im Schumann-Haus irgendwann ganz heimelig, möchte bleiben und immer weiter entdecken. In einer tollen Rauminstallation lässt sich etwa in verschiedenen Büchern blättern, die das Beziehungsgeflecht der Schumanns aus ihrer Sicht oder der Perspektive von Künstlerfreunden wie Johannes Brahms oder Joseph Joachim beleuchten. Je nachdem, welcher Charakter im Buch gerade aufgeschlagen ist, wird dessen Portrait an die Wand projiziert.
Doch irgendwann muss man ja doch Abschied nehmen und verlässt das Museum durch den letzten Raum, der wieder Clara gewidmet ist. Nach der Einlieferung ihres Mannes in die Nervenheilanstalt blieb sie noch eine Zeit alleine mit den Kindern in der Wohnung. Hier finden sich ihr Witwenschleier, das berühmte Lenbach-Portrait der gealterten Pianistin und auch ihr Testament. Trotz Trauergefühlen fasst man den Entschluss, dass dies sicher nicht der letzte Besuch gewesen ist.
Text: Max Florian Kühlem