„Ich suchte neulich in einer alten Geographie nach Notizen über Düsseldorf und fand da unter Merkwürdigkeiten angeführt: 3 Nonnenkloster und eine Irrenanstalt. Die ersteren lasse ich mir gefallen; aber das letztere war mir ganz unangenehm zu lesen.“ Was Robert Schumann, dieser Prototyp des romantisch zerrissenen Komponisten, da 1849 notierte, deutet an, mit welch gemischten Gefühlen und Vorahnungen er ein Jahr später den Weg nach Düsseldorf antrat. Tatsächlich sollte der manisch Depressive seine beiden letzten Lebensjahre in einer Nervenheilanstalt verbringen – nicht in Düsseldorf, sondern in Bonn-Endenich.
Mit dem Umzug an den Rhein hatte sich Schumann (1810 – 1856) zuallererst einen Neuanfang erhofft. Nachdem an den alten Wirkungsstätten Leipzig und Dresden seine Chor- und Orchesterwerke nicht den ersehnten Erfolg und damit auch Geldsegen eingebracht hatten. Das jährliche Salär eines Düsseldorfer Musikdirektors war zwar auch kein Vermögen. Andererseits erlaubte dieses Grundgehalt ihm, sich wieder intensiv dem Komponieren zu widmen. Zumal er mit Clara Schumann eine Gattin zur Seite hatte, die ihre Karriere als Pianistin und Komponistin vorerst aufgegeben hatte, um ihm als Mutter von insgesamt acht Kindern den Rücken freizuhalten.
Die Düsseldorfer Luft schien Robert Schumann schöpferisch gut zu bekommen. In den knapp vier Jahren am Rhein entstand ein Drittel seines Gesamtwerkes. Darunter die drei Violinsonaten, das Cello-Konzert sowie die als „Rheinische“ bekannt gewordene 3. Sinfonie, die am 6. Februar 1851 in Düsseldorf begeistert aufgenommen worden war.
In der Schumannschen Wohnung in der Bilker Strasse gingen neue und alte Freunde wie der junge Johannes Brahms und der berühmte Geiger Joseph Joachim ein und aus. Dennoch verdüsterte sich zunehmend die Stimmung. In der Hausfrau Clara Schumann rumorte es. Ihrem Tagebuch vertraute sie an: „Meine letzten guten Jahre gehen dahin, meine Kräfte auch.“ In den Zeitungen waren zunehmend Verrisse über den Dirigenten Schumann zu lesen. Neben den Anfällen von Schwindel und Gehörstörungen, die schon 1833 aufgetreten waren, machten sich 1852/53 bei Robert Schumann die ersten Anzeichen von geistiger Verwirrung bemerkbar. Ratschläge werden – Tisch rückend – vom Möbel erbeten. Bei zufriedenstellender Antwort „belohnt“ Schumann seinen Freund mit einer neuen Decke. Höhepunkt dieser Weltentrücktheit wird schließlich Schumanns Selbstmordversuch sein.
Am 27. Februar 1854, einem Rosenmontag, mischt sich Robert Schumann im Morgenrock unter die Karnevalisten und springt von der Rheinbrücke. Der Musiker lässt sich daraufhin in die Bonner Nervenheilanstalt einweisen, wo er bis fast zum letzten Atemzug komponiert. Noch wenige Wochen vor seinem Tod am 26. Juli 1856 entstanden zwei Choralsätze.
Während Schumanns frühe Klavier- und Liederzyklen wie die „Kinderszenen“ und die „Dichterliebe“ längst zum festen Repertoire-Kanon gehören, muss gerade sein pianistisches und vokales Spätwerk noch vom Publikum entdeckt werden. Schumanns Klang gewordene Seelenpein zeigt sich mit all ihren harmonischen Verdichtungen und Experimenten jedoch so visionär, dass sich bis heute zeitgenössische Komponisten von ihr herausgefordert fühlen. Ob Aribert Reimann, Heinz Holliger oder nicht zuletzt Wolfgang Rihm, der Schumanns musikalischen Psychogramme einmal prägnant in folgende Worte gefasst hat: „Das Nebeneinander von Klarheit und trüben Stellen, die schnellen Wechsel von Dichten und Gemütszuständen, die quälenden Stellungskriege der musikalischen Gedanken, das Kreiseln ohne Ziel und Wille.“ Unmittelbar nach dem Tod Schumanns zog Clara Schumann übrigens aus der Düsseldorfer Wohnung aus und nach Berlin – und machte fortan als Pianistin europaweit eine zweite Karriere.