Im Porträt: Adolf Winkelmann

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Seit Jahrzehnten schreibt Adolf Winkelmann Filmgeschichte – nicht nur mit Blick aufs Ruhrgebiet. Die Intensität seiner Bilder ist allerdings nicht nur auf der Leinwand zu erleben. Davon zeugen nicht zuletzt seine "Fliegenden Bildern" am Dortmunder U.

Das sieht nicht nur schwer nach studentischem Kunstfilm aus, es ist auch einer: Der junge http://www.winkelmann-film.de/ Adolf Winkelmann hat sich eine Kamera vor die Brust geschnallt, das Objektiv auf sein Gesicht gerichtet und läuft durch Kassel. Gedreht in Schwarz-Weiß, sieht man ihn Straßenbahn fahrend und Bratwurst essend, während sich die Passanten neugierig nach ihm umdrehen. „Adolf Winkelmann, Kassel, 09.12.67“ heißt dieser experimentelle Kurzfilm. Was er mit seinen späteren Werken gemein hat, ist der Blick auf das reale Leben. Am interessantesten ist der Hintergrund, nicht der Kopf des Regisseurs. Die Automarken, die Mode, die Menschen – historische Blicke in die bundesdeutsche Vergangenheit.

Gleiches gilt für Adolf Winkelmanns Kinofilme. Aus Kassel wurde 1975 Dortmund. Dort spielt auch „Die Abfahrer“ (1978), eine Geschichte von drei jungen Arbeitslosen, die einen Umzugswagen kapern und nichts weniger als die Freiheit und das Weite suchen. Winkelmann verzichtete auf Studiokulissen und drehte in den Straßen Dortmunds mit einem Ensemble aus Amateur- und Profischauspielern. Normalos wie Detlev „Delle“ Quandt spielten an der Seite von Theaterschauspielern wie Tana Schanzara oder Hermann Lause.

In „Die Abfahrer“ und im nächsten Film „Jede Menge Kohle“ (1981) kann man das 'alte' Ruhrgebiet besichtigen. Die kleinen Tante-Emma-Läden, die Hinterhöfe und das heute längst geschlossene „Phoenix“-Stahlwerk in Dortmund-Hörde. Trotzdem greift die Formel „Früher war alles besser“ bei Winkelmann zu kurz, da in seinen Filmen immer auch soziale Probleme thematisiert werden. In „Jede Menge Kohle“ läuft der Bergmann Katlewski aus Recklinghausen seinem alten Leben davon – unter Tage, bis er nach zwei Wochen in einem Dortmunder Stollen wieder auftaucht. Er verliebt sich neu, merkt aber schnell, dass die Probleme aus dem alten Leben nicht verschwunden sind.

Der Zeitgeist der frühen 80er Jahre forderte Problembewusstsein ein. Dies wird besonders in Winkelmanns Zukunfts-Öko-Schocker „Super“ (1983) deutlich, in dem er Renan Demirkan und Udo Lindenberg gemeinsam mit Ulrich Wildgruber, Hannelore Hoger, Hermann Lause und Gottfried John durch eine apokalyptische Welt scheucht. Rückblickend wirkt „Super“ mit seiner örtlichen Beschränkung auf ein Motel im Niemandsland (gedreht wurde auf einer Halde) wie ein abgefilmtes Bühnenstück. Näher dran am Ruhrgebiet war Winkelmann wieder mit dem Film „Nordkurve“ (1992), in dem er einen typischen Ruhrgebiets-Fußball-Samstag zeigt – aus verschiedenen Perspektiven, vom Manager bis zum Fan.

In den letzten Jahren produzierte Winkelmann hauptsächlich Fernseh-Filme wie „Der letzte Kurier“ oder den mit Preisen überhäuften Zweiteiler „Contergan – Eine einzige Tablette“, der den gleichnamigen Arzneimittel-Skandal der 60er Jahre thematisierte.

Vor einigen Jahren ist Winkelmann zum Kino zurückgekehrt – und dies mit Aplomb. Dass er irgendwann auf Ralf Rothmann stoßen musste, war klar. Zumal ihm hier die beiden Schauspieler- und Autoren-Brüder Niels und Till Beckmann, ebenfalls Revierblüten und mit allen Wassern der Ruhr gewaschen, das Drehbuch lieferten und zur Hand gingen. "Junges Licht" mit Charly Hübner und Peter Lohmeyer ist, wie oft bei Rothmann, aus der Sicht Heranwachsender geschrieben: Mit dem zwölfjährigen Arbeiterkind Julian Collien (Oscar Brose) erleben wir die Welt von Gestern ganz heutig: sein Blick auf die Erwachsenen, auf Ehekrisen, pubertäre Nöte, Erregungszustände, Angst und Ekstasen und das grimmige Schweigen der Großen. Wenn Heimatfilm, dann so: als wunderbares, akkurates, liebevoll beseeltes, aber nicht nostalgisches Drama und Panorama.

Auf der Expo 2000 feilte Winkelmann mit seiner Filminstallation „Deutschland.Pict“ im deutschen Pavillon an der kulturellen Außenwirkung des Landes. Ähnliches inszenierte er mit seinen „Fliegenden Bildern“ für das Kulturhauptstadtjahr 2010 im Kreativquartier Dortmunder „U“. Dort laufen in neun „virtuellen Fensterlöchern“ Kurzfilme, die den Besuchern das Leben im Revier nahebringen sollen. Winkelmann, der auch Professor für Filmdesign an der FH Dortmund ist, umreißt sein Projekt so: „Ich habe radikal subjektiv meine 50 Jahre Leben im Ruhrgebiet auf wenige Bilder und noch weniger Figuren verdichtet.“

Schon wieder sind ein paar Jahre ins Land gegangen. Im Dortmunder U tut sich manches, aber die Bilder haben das Fliegen nicht verlernt. Adolf Winkelmann, am 10. April 1946 in Hallenberg geboren, wusste und weiß, dass man in Jahren und Jahrzehnten auf diese Filme schauen und sagen können wird: So war das also damals im Ruhrgebiet.

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