Film

„The Quiet Girl“ von Colm Bairéad

Jemand ruft nach Cáit. Aber das Mädchen antwortet nicht, als würde es vorziehen, unsichtbar oder tot zu sein. In der kinderreichen, armen Familie hat niemand Aufmerksamkeit für sie oder gibt Acht auf sie.

Cáit (Catherine Clinch) ist in sich gekehrt und traurig, zugleich aufmerksam am Esstisch zu Hause, an ihrem Pult in der Schule, unterwegs und an ihrem neuen Lebensort.

„Rumtreiberin“ wird sie von ihrem ungehobelten Vater Dan genannt. Der bringt sie in drei Stunden mit dem Auto auf das Gehöft der Kinsellas, nicht weit von der See, und verabschiedet sich nicht mal von dem Kind, vergisst aber, den Koffer mit ihren Sachen dazulassen.

Die Cousine von Cáíts Mutter, Eibhlín (Carrie Crowley), ist sanft und liebevoll, als habe sie Angst, etwas könne zerbrechen in Cáit, das schon angeknackst ist. Beide, sie und ihr Mann Séan, sind wunderbare Pflegeeltern. Sogar als Cáit sich als Bettnässerin erweist, reagiert Eibhlín rücksichtsvoll. In dem wohlgeordneten und gut gestellten Haushalt kann Cáit sich entfalten. Erst durch eine klatschsüchtige Nachbarin erfährt sie, dass das Ehepaar Kinsella einen Jungen hatte, der ertrunken ist. 

Ein zartes Gespinst scheint die im Andante komponierte Filmerzählung umfangen zu halten, durchlässig und undurchsichtig. Das schafft eine Stimmung, wie sie die Romane des Iren Colm Tóibín erzeugen. Gleichzeitig atmet sie eine Schlichtheit, die korrespondiert mit der irischen Sommerlandschaft, in der sich wiederum der Seelenzustand des Mädchens spiegelt.

Der Sommer endet, die Zeit läuft ab, Cáit muss zurück. Nun kennt sie das Glück – und seinen Verlust. Nicht verwunderlich, dass „The Quiet Girl“ für die Oscar-Kür als bester ausländischer Film nominiert wurde. Er ist meisterlich wie ein Gemälde von Vermeer.

 

Film

„The Quiet Girl“ von Colm Bairéad

Mehr Kultur aus NRW mit unserem Newsletter

Kulturkenner patternKulturkenner pattern