
Tiere sind bekanntlich Meister der Täuschung. Manche Art setzt auf die perfekte Täuschung als Überlebensstrategie. Doch nicht nur im Tierreich treffen wir auf Strategien der Täuschung, auch das projizierte Videobild ist letztlich eine Täuschung: Es führt uns in aller Regel Dinge und Geschehnisse vor Augen, die zu anderer Zeit und an anderem Ort sichtbar waren. Es bringt eine materielle Welt zum erscheinen, bleibt dabei als Projektion jedoch selbst stets bloße Lichterscheinung.
Die ausgewählten Arbeiten knüpfen an Täuschungsstrategien des Tierreiches an, reflektieren aber zugleich ihre eigene Medialität. Verfahren wie Animation, Tricktechnik, s/w-Bilder und Inszenierung werden als medienspezifische Aspekte künstlerisch aufgegriffen und verweisen sichtlich auf eine systemimmanente Künstlichkeit der Bilder. In Zeiten einer überhandnehmenden digitalen, inzwischen oftmals KI generierten Bilderflut, in denen die Grenzen zwischen Bild und Wirklichkeit immer mehr verwischen, wird hier der täuschende Charakter von Bildern zum grundsätzlichen Thema.
Kaum eine Tierart ist in der allgemeinen Wahrnehmung derart mit Strategien der Täuschung verbunden wie das Chamäleon. Seine Fähigkeit, sich durch Farbveränderung perfekt an seine Umgebung anzupassen, schützt es in seiner realen Lebenswelt, lässt es zugleich aber auch zum Gegenstand eines Gedankenexperiments auf dem Feld der Kybernetik werden: dem Chamäleon in der Spiegelbox. Was würde mit dem Tier geschehen, wäre es von nichts weiter umgeben als von den Abbildern seiner selbst. Würde es alle seine ihm möglichen Farben in nicht vorhersehbaren Abfolgen und Mustern zeigen, oder gänzlich farblos bleiben.
Bei Paul Spengemanns "Walking Stick" handelt es sich um eine Video-Arbeit, in der 13 Ästchen zu einem Körper animiert wurden, der eine Stabheuschrecke in Aktion zeigt. Mit langsamen Bewegungen erkundet das Ast-Tierchen die Wohnung des Künstlers. Es wird vermeintlich von einer Kamera gefilmt, die sich in ihrer Bildsprache an Naturdokumentationen anlehnt. So entsteht der Eindruck, das getarnte Ästchen würde in seinem natürlichen Lebensraum gefilmt werden. Die Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion verschwimmt. Es bleibt unklar, worum es sich bei diesem Ästchen handelt. Es ist weder ganz tote Materie noch vollkommen belebte, eher eine Fiktion in einem realen Kontext. In seiner Fiktion läßt der Film offen, wer hier eigentlich spricht, Realität ind Imagination sind längst eins. (Rebekka Seubert) Spengemann legt den Fokus auf die Möglichkeiten der fortschreitenden Technisierung unserer Gesellschaft, spielt aber auch mit daraus resultierenden Schwierigkeiten.