Jede „Don-Giovanni“-Inszenierung muss zu ihrer schillernden Titelfigur eine Haltung finden. Ist der Spanier ein Dämon, Verbrecher, Psychopath oder bloß ein lebenslustiger Freiheitsfanatiker? Regisseurin Karoline Gruber dreht diese Frage an der Rheinoper in Duisburg lieber um und fragt sich, was Giovanni bei den Frauen eigentlich auslöst und sie dazu bringt, sich ohne Umschweif auf ihn einzulassen. Das Prinzip des magisch erotischen Kraftfelds zieht so weitere Kreise als gewöhnlich, denn Mozarts Held scheint hier auf alle Figuren gleichermaßen und nachhaltig enthemmend zu wirken.

Roy Spahns Bühne wird dominiert von Arnold Böcklins Gemälde „Odysseus und Kalypso“ nebst einem dunkel tapezierten Flur mit einer Reihe von Türen, auf denen statt Zimmernummern geschichtsträchtige Jahreszahlen prangen: 1789 für die Französische Revolution, 1848 für die deutsche. Im Laufe des Abends schieben sich immer wieder neue Flure und neue Kalypsos hinein und verschachteln den Raum.

Die rätselhaften Türen dienen nicht nur den Auftritten und Abgängen der Protagonisten, sondern auch weiß gewandeten Zombies aus Giovannis Vergangenheit. Eine surreale Szenerie, die manch szenisches Problem von Mozarts Oper erledigt, aber auch einige Stolpersteine schafft. Mechthild Seipels Kostüme bedienen sich munter aus den Epochen: Zerlina und Masetto poltern in die erste Szene wie aus dem 20. Jahrhundert herein und bleiben anwesend, Donna Elvira trägt die geschürzte Version einer Rokoko-Robe, Donna Anna Hochgeschlossenes aus dem späten 19. Jahrhundert, Don Ottavio die Uniform einer Burschenschaft und Giovanni eine Gothic-Version des traditionellen Rokoko-Gewands.

Das Spiel der Projektionen nimmt seinen Lauf, am Schluss ist der zweifelhafte Held zwar tot, aber das Prinzip Don Giovanni aus den Köpfen nicht mehr zu entfernen. Das Sängerensemble glänzt mit kleinen Abstrichen auf durchweg hohem Niveau: Laimonas Pautienius ist ein geschmeidiger Don Giovanni, Olesya Golovneva eine hinreißend geläufige, leuchtende Donna Anna, Alma Sadé eine charmante, lyrische Zerlina. Mit Schärfen in der Höhe und Intonationsproblemen kämpft Natalyia Kovalovas hysterische Donna Elvira, Adam Palka gibt Leporello mit wendigem Bariton als masochistischen Psychofall, der sich die Haut ritzt, Torben Jürgens einen soliden Masetto im Rautenpulli und Corby Welch den Don Ottavio als künftigen Beamten mit beachtlichem Mozart-Tenor-Schmelz. Altmeister Friedemann Layer sorgt am Pult der Duisburger Philhamoniker für einen kontrollierten, klassisch ausgewogenen Mozart.

Mozart's "Don Giovanni" at the Rhine Opera

Mozart's "Don Giovanni" at the Rhine Opera