Kunst

"Im Herzen wild" im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

25.05.2024 - 12.01.2025
Veranstaltungsort
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Nach sechs Jahren Sanierung hat das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr wieder eröffnet – unter neuer Leitung und mit einer neuen Sammlungspräsentation. „Im Herzen wild“ heißt die Schau, mit der Direktorin Stefanie Kreuzer ihren schwungvollen Einstand gibt.

Die eigenen Schätze ausbreiten, noch einmal zeigen, was das Haus zu bieten hat. Das hat man sich in Mülheim vorgenommen und überzeugend umgesetzt. Teil eins der Schau in den Pakethallen des einstigen Postgebäudes fährt Werke der Klassischen Moderne auf – gemischt aus städtischem Besitz und aus der hauseigenen Stiftung Sammlung Ziegler. Brücke, Bauhaus, Blauer Reiter für Genießer: bunte Blumen von Nolde, Macke in Tunis, ein schlafendes Reh von Franz Marc, Klees blühender Garten, kristalline Architekturen von Feininger.

Und auch schon ein Brückenschlag in die Gegenwart: Das Künstlerduo Banz & Bowinkel ist mit einer Augmented-Reality-Arbeit eingezogen. Beim Blick auf das Display von Tablet oder Handy sieht man geometrische Körper im Raum schweben und erkennt Ähnlichkeiten mit einem abstrakten Gemälde von Wassily Kandinsky, das weiter hinten in der Ausstellungshalle hängt.

In der ersten Etage haben dann die Zeitgenossen aus der Sammlung das Sagen und bekommen immer wieder Verstärkung durch Leihgaben. Der grelle Kauz in Uwe Hennekens Gemälde hat sein großes Bündel geschultert. Startklar steht er auf einem Hügel, dahinter öffnet sich der Blick in die Landschaft. „Auf zu neuen Horizonten“ heißt das Ausstellungskapitel, in dem auch Roy Lichtensteins „Landscape 4“ mit einem stilisierten Sonnenuntergang über einem Meer aus Rasterpunkten seinen Platz findet.

Nebenan geht es um „Anlitz und Aura“. Hier hat findet sich etwa eine Gruppe verrückter Figuren, die ganz aktuell wirken, allerdings schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben und nun endlich einmal aus dem Depot herausgekommen sind. Geformt hat sie die 1929 geborene Ilse Otten – eine Künstlerin, die Zeit ihres Lebens in Mülheim zu Hause war, doch selbst hier kaum bekannt ist. Es ist an der Zeit, ihre Werke auf den Sockel zu heben.

Ein Platz an der Wand ist für Shanon Bools großen Bildteppich reserviert, als Ankauf des Förderkreises ganz neu im Kunstmuseum. „The 33rd Column“ heißt die Arbeit der kanadischen Künstlerin, die auf hintergründige Weise die männlich dominierte Moderne bespiegelt: Bool lässt uns in einen Pavillon von Mies van der Rohe blicken, wo sich zu den titelgebenden Säulen, die der Konstruktion des Bauhaus-Meisters Halt geben, zwei Frauenbeine auf hohen Hacken gesellen. Im Kapitel „Sex and Politics“ trifft Bools digitale Webstuhl-Arbeit etwa auf berühmte Siebdruckserie „Flash“, in der Andy Warhol 1963 Medienberichte über die Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy verarbeitet hat.

„Man braucht in dieser Präsentation nicht unbedingt die kunsthistorische Einordnung“, so Stefanie Kreuzer. „Ich kann mich auch erst einmal einlassen auf die Kunst und schauen, was es in diesem oder jenem Raum zu erfahren gibt.“ Ob es knistert in Vivian Grevens großformatiger Inszenierung eines Kusses, der im Kapitel „Lippenbekenntnisse“ zusammentrifft mit Dorothee Golz‘ Tasse aus Glasfaserlaminat – die beim bloßen Anschauen schon ein fusseliges Gefühl auf der Zunge hinterlässt.

Ähnlich ambivalent der Blick über Rudolf Bellings blanken Kopf in Messing aus den 1920er Jahre hin zu den hundert Jahre jüngeren Collagen der Düsseldorfer Künstlerin Anys Reimann. Schiefe Augen, schräge Ohren – die zusammengesetzten Frauen-Gesichter haben etwas Brutales. Und man beginnt sich zu fragen – ist der rote Mund nur dick geschminkt vielleicht blutverschmiert?

„Im Herzen wild“, so hat Stefanie Kreuzer ihre Schau genannt. Doch was hat sie sich dabei gedacht? „Das Herz ist die Sammlung des Hauses – der Herzschlag die Emotion“, so Kreuzer. „Die Kunst ist ja, was das Haus ausmacht.“ Und warum wild? „Wild ist die Kunst, weil sie Regeln bricht, weil sie uns herausfordert, unser Denken zu überprüfen, weil sie weniger Antworten gibt, als Fragen aufwirft – nicht selten ist sie das Wilde, das uns aus der Komfortzone herausholt.“

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"Im Herzen wild" im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

25.05.2024 - 12.01.2025
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