Natürlich die Handtasche, die Zigarette, die Schuhe. Ihre Attribute sind ikonisch wie Chaplins Schnurrbärtchen, Spazierstock und Melone. Nachdem Ingrid Bergman vor 40 Jahren Israels Erste Ministerpräsidentin, die berühmteste Frau der Welt zu ihrer Zeit, dargestellt hat, folgt ihr nun in dieser Rolle Helen Mirren, die 2006 schon einer anderen, der Queen ihr Gesicht gegeben hatte. Uns scheint, als würde dieser unbeugsame gebeugte Mensch unter seinem widerspenstigen grauen Scheitel in und mit seinem Körper die Bürde dieses zweifachen Menetekels vor- und durchgelebt haben.
Golda Moisejewna Mabowitz wurde 1898 in Kiew geboren. Über die USA kam die Zionistin 1921 ins Gelobte Land, war Gewerkschafterin, Diplomatin, Parlamentarierin, erste Botschaftern in der Sowjetunion, Arbeits- und Außenministerin und Regierungschefin von 1969 bis 1974, also während der terroristischen Geiselnahme auf der Olympiade 1972 in München, die in einem Blutbad endete, und während des Israel überraschenden Jom-Kippur-Krieges im Oktober 1973, der den Staat derart in Bedrängnis brachte, dass seine Existenz bedroht war. Der Film von Guy Nattiv konzentriert sich ganz auf dieses Ereignis, das auch zu Golda Meirs Rücktritt führen wird.
Die Mutter Israels ist eher seine Großmutter. Mit Mitte 70 – die Kettenraucherin erkrankt an Krebs – bringt sie ihr Land durch die Katastrophe des vierten Krieges seit Staatsgründung. Einem Bonmot zufolge sei sie der einzige Mann unter ihren Ministern, berühmt geworden als Küchenkabinett, das von ihr mit selbstgebackenen Kuchen verköstigt wird. Die Militärs, Parteigenossen, Konkurrenten, darunter der Kämpe Moshe Dajan, sind ihr nicht gewachsen und in ihrer Schwäche, Eitelkeit, Panik gefangen. Ihr Zaudern und Zögern (das Wort kommt uns hinsichtlich des Mannes im Bundeskanzleramt bekannt vor) wehrt sie ab und hält den schlimmen Nachrichten, dem internationalen Druck und inneren Konflikten stand.
"Golda" ist auch ein Lehrstück über das Geschlechterverhältnis, sogar in einem Land, dessen Kibbuz-Bewegung Frauen und Männer in die beinahe annullierende Gleichheit führt. Für Fehler und Nachlässigkeiten, die den Sieg der Ägypter und Syrer hätten ermöglichen können, wird sie vor der Knesset in Jerusalem gerade stehen, wird vor einem Tribunal Rechenschaft ablegen und biblischen Heroismus beweisen.
So unnachgiebig sie sich bezogen auf das Recht und den Anspruch des palästinensischen Volkes erwiesen hat, so imponierend tapfer und illusionslos stellt sie sich ihrer Verantwortung: ringt den USA, Henry Kissinger (Liev Schreiber), dem sie Borschtsch serviert, und Präsident Nixon dringende Waffenhilfe und Zeit ab, wird in Träumen verfolgt von Bildern und Stimmen der Front, sie kotzt und kratzt sich blutig angesichts ihrer toten Soldaten, hält Wache an den Särgen und meidet nicht die Trauer der Familien. Golda Meir trägt den Schmerz ihres Volkes und seinen Protest und Zorn. Für ihre Landsleute changiert ihr Bild in der Geschichte bis heute ins Negative. Zu Unrecht, vermittelt Guy Nattiv, dessen dramaturgische und Stil-Unsicherheit zwischen dokumentarisch forciertem Reportage-Format und symbolischer Überhöhung (Vogelschwärme wie in altrömischer Auguren-Manier) sich nicht ignorieren lassen. Noch mehr zu Unrecht, wenn wir uns vor Augen führen, wie ihr später Amtsnachfolger Netanjahu sich heute in Eigennutz aus seiner Gewissenspflicht stiehlt.
Aber was kümmern die Mängel vor dem Ereignis, das Helen Mirren als Golda Meir in jeder Einstellung ist: der Fixpunkt, das Zentralorgan, der Königskörper. In ihr triumphiert psychologisches Spiel und transzendiert seinen Realismus ins grandios Kunstvolle wie in einem Schiller’schen Drama. Golda – Wallenstein, Elisabeth von England, Philipp von Spanien. Einsamer nie als im Oktober 1973, wenn sie durch die Korridore der Macht und Ohnmacht geht. Mühsam geht, weil sie Wasser in den Beinen peinigt und das Wissen um das Unteilbare ihrer Aufgabe.