Der Spieler – der Theaterarchitekt Werner Ruhnau

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Er nannte sich selbst gern einen "Spieler". Und das war er in der Tat - nicht zuletzt, wenn es um seine großartigen Entwürfe ging. Ein Porträt des Architekten Werner Ruhnau.

Zu den Olympischen Spielen in München hatte Werner Ruhnau eine Spielstraße entwickelt – sozusagen als kulturellen Gegenpol zur sportlichen Leistungsschau damals, im Jahr 1972. Jeder konnte also dabei sein, wenn bildende oder darstellende Kunst entstand und mit den Künstler*innen in Kontakt treten. Diese Grenze zwischen Publikum und Künstlern aufzuheben, war auch Grundlage der Spielräume, die er für zahlreiche Theater geschaffen hat: In Essen oder in Frankfurt am Main etwa stattete er seine Theaterhäuser mit frei bespielbaren Räumen aus, ohne Trennung von Bühne und Saal, in denen sich die Zuschauenden aktiv einbringen, nicht nur konsumieren sollten.

Seine Laufbahn hatte Werner Ruhnau nach dem Architekturstudium in Danzig, Braunschweig und Karlsruhe 1950 bis 1952 in Münster als Architekt der Landwirtschaftskammer begonnen, gemeinsam mit Walter Hämer. Von dort aus wurde er im Team mit drei Architektenkollegen direkt für den Neubau des Theaters Münster engagiert. Nach der Fertigstellung 1956 gründete Ruhnau sein eigenes Architekturbüro in Gelsenkirchen und baute sein Meisterwerk: das dortige Musiktheater im Revier.

Der demokratische Ansatz, der Kultur nicht nur für eine Elite, drückt sich hier im gesamten Gebäude aus, insbesondere in der Glasfassade vor dem Betonskelett. Es gibt keine Trennung mehr zwischen der Bildungselite im Inneren und den Menschen im Revier draußen – Kultur für alle. Neben Kulturbauten, darunter auch viele Umbauten, und einigen Verwaltungsgebäuden, wie der Herta KG oder Flachglas AG, war er auch für die Gestaltung von U-Bahn-Haltestellen im Ruhrgebiet und verschiedene Wohnsiedlungen in NRW verantwortlich.

Sie alle sind aus einem besonderen Geist heraus entstanden, bei dem von Anfang an nicht nur alle üblichen Gewerke sondern auch Künstler einbezogen wurden. Werner Ruhnau nannte die beteiligten Künstler "Sonderfachleute für Gestaltung", sie standen für ihn gleichberechtigt mit Statikern. Dabei hatte er ein ganz besonderes Händchen für die Auswahl der am Bau beteiligten Künstler, wie sicher jeder bezeugen kann, der einmal Yves Kleins blaue Farbreliefs im Musiktheater im Revier gesehen hat. Werner Ruhnaus Sohn Georg Ruhnau berichtet, wie es dazu kam: "Eigentlich wollte mein Vater Spiegelobjekte in die Foyers hängen, aber dann war er bei einer Ausstellung von Norbert Kricke in Paris und sah im Hinterzimmer der Galerie DIN-A4 große Täfelchen von einem vollkommen unbekannten Judolehrer – die wollte er im Foyer haben. Er meinte, die kommen hierher."

"Der kommt hierher" war dabei wörtlich zu verstehen, Werner Ruhnau gefiel der Gedanke der mittelalterlichen Bauhütte, Künstler und Ingenieure arbeiteten nicht nur Hand in Hand, sie wohnten auch auf der Baustelle. "Er wollte mit den Künstlern interagieren, vom Wissen der anderen profitieren. Dieser Ansatz liefert mehr Spielräume, als der Entwurf, der um keinen Millimeter abweichen darf", so sagt Georg Ruhnau über seinen Vater Werner, der sich selbst als "Homo Ludens" bezeichnete und seine berufliche Tätigkeit auch als ein großes Spiel gesehen hat.

Ein riesiges Werk hat Werner Ruhnau, der für kurze Zeit auch an der École d’Architecture de Montréal und am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Köln lehrte, nicht hinterlassen. Aber ein einzigartiges, das besonders gut versteht, wer dem eigenwilligen Charakter des Architekten hinterherspürt. 2015 starb Werner Ruhnau. Sein Grabmal in der Kasseler Künstler-Nekropole gestaltete er bereits 1995 – es trägt den Titel "Spielraum".

http://www.ruhnau.info

Musik
Musiktheater im Revier
Die organische Verbindung von spektakulärer Architektur und bildender Kunst macht das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen zu einem der bedeutendsten Theatergebäude der Nachkriegszeit.

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