Uwe Loesch

Kunst

Steigt man die vielen Stufen zu Uwe Loeschs Atelier hinauf, fallen einem die Zeilen aus dem „Türmer“ ein: „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt, zum Turme geschworen, gefällt mir die Welt.“ Worte jenes Dichters, dessen Namen Loesch im Jubiläumsjahr 1999 auf einer Grußkarte so absichtlich wie lustvoll falsch geschrieben hat: „GOEHTE“. Der Plakatgestalter Uwe Loesch hat sein Quartier in Erkrath nahe Düsseldorf bezogen. Im Turm einer ehemaligen Papierfabrik blickt er die Welt von oben an. Sein Atelier scheint ihm und seiner Arbeit auf den Leib geschneidert zu sein: großzügig-luftig, mit Mut zur freien Fläche, mit guter Perspektive nach draußen. Auf der Fensterbank eine Sammlung diverser Auszeichnungen aus aller Welt; daneben, lässig hintereinander an die Wand gelehnt, gerahmte Auszeichnungen des „Art-Directors-Club“: „Man könnte die aufhängen, sollte es aber nicht.“

Aber wer ist dieser Loesch eigentlich? Einfach gesagt, der mit dem schwarzen und dem weißen Schuh. Aber das trifft es bei weitem nicht. Loesch ist weltbekannter Plakatgestalter, mit Preisen überhäuft, in der Szene gefeiert, Vorreiter der visuellen Provokation. Außerdem war er Professor für visuelle Kommunikation und internationales Aushängeschild der Universität Wuppertal. Offiziell liest sich seine Biografie so: 1943 in Dresden geboren, flieht er 1958 in den Westen und lebt seitdem in Düsseldorf. Von 1964 bis 1968 studiert er dort Grafik-Design an der Peter-Behrens-Werkkunstschule, danach arbeitet er im eigenen Atelier für Industrie, Verlage und kulturelle Institutionen. 1985 beruft man ihn an die FH Düsseldorf zum Professor für visuelle Kommunikation. Ab 1990 wird er von der Bergischen Universität Wuppertal abgeworben und lehrt dort in der Nachfolge von Willy Fleckhaus. Seit Beginn der 80er Jahre bekommen seine Plakatentwürfe internationale Beachtung, 1984 werden einige Plakate nicht nur in die Sammlung, sondern auch in die ständige Ausstellung des Museum of Modern Art New York aufgenommen. Loesch lässt sich auf keine Stilrichtung festlegen, eher auf eine Geisteshaltung. Seine Plakatentwürfe sind nie erwartbar; obwohl er seinen berühmten Vorrat aus bevorzugten Schriften und Farben hat, überrascht er immer wieder.

Je näher man ein Plakat anschaut, desto ferner blickt es zurück.
Uwe Loesch

So zerstörte Loesch seinen ursprünglichen Plakatentwurf für den „41. Deutschen Historikertag 1996“ mit einem Aktenschredder, um den Rest zu fotografieren und darauf rhythmisch weitere Texte anzuordnen: „Geschichte als Argument“, so der Titel dieses typografischen Trümmerfelds. Loeschs Entwürfe sind selten offensichtlich. „Offenlassen als Prinzip“ nennt er das, und dass man „die Dinge nicht als Trauer der Vollendung gestalten soll, sondern Spielräume für eigene Interpretationen zulässt.“ Das spielerische Element merkt man seinen Entwürfen in jeder Sekunde an – da wird mit der Unschärfe experimentiert, Neonfarben lassen das Auge schmerzen, oft ist Loeschs Liebe zum Wortspiel spürbar. Sein Plakat für ein Lithografie-Unternehmen behauptete 1990: „Blaubeeren sind rot, wenn sie grün sind.“ Mittlerweile beschäftigt sich Loesch mit „Gold als ironische Brechung, Grün als Farbe des Propheten und Rot als die gelbe Gefahr“.

Ironische Brechung – dieses Prinzip gilt auch für Loeschs Fußbekleidung. Inzwischen sind seine Schuhe sein Markenzeichen. Er selbst bezeichnet diesen optischen Schabernack als „eine Art Selbstironie, eine Form der Übertreibung, und damit eindeutig Kitsch“. Das zeigt, dass Gestaltung bei ihm immer auch eine Mentalitätsfrage ist. Er nennt dies „das Prinzip der optischen Enttäuschung“ – soll heißen, Text und Bild werden da positioniert, wo man es am wenigsten erwartet, also gerne mal abseitig am Rand. Oder er schichtet Bild- und Textelemente bis zur Unleserlichkeit übereinander. Dieses Stilprinzip findet sich auch auf seinen Entwürfen für die Düsseldorfer Kabarettbühne „Kom(m)ödchen“. Auf dem Programmplakat „Letzter Aufruf: Völkerwanderung“ spülte er 1991 die Typografie wirbelnd den Abfluss hinunter.

Trotz seines Hangs zum „visuellen Kalauer“ gestaltet er aber auch ernste Plakate. Bei seinem Hiroshima-Plakat braucht er keine Schockmotive, um den Betrachter an Herz und Hirn zu packen. Die Amerikaner hatten jene Atombombe auf den Namen „Little Boy“ getauft. Auf Loeschs Plakat ist ein nackter, asiatischer Junge zu sehen; auf Brusthöhe liest man in Anführungsstrichen „Little Boy“, dahinter ein Leerzeichen, gefolgt von einem Gedankenstrich. Dieser typografische Abgrund macht weitere Worte überflüssig.

Mittlerweile ist Loesch altersbedingt aus dem Uni-Betrieb ausgeschieden, aber an Ruhestand ist bei ihm nicht zu denken. Neben vielen anderen Projekten plant er ein Buch über Eselsohren, „die bürgerlichen Verbrechen an der Belletristik, die aber als Gestaltungsprinzip eine sehr schöne Irritation darstellen“. Für seine vielfältigen Verdienste insbesondere im Plakatdesign erhält er 2013 den Preis der Preise in der Grafikszene, den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland für sein Lebenswerk. Loesch, der den Preis mit Freuden entgegennahm, sei, so heißt es in der Jurybegründung, "der erste deutsche Grafiker, der die Grenzen zwischen Kunst und Design, zwischen Politik und Komödie und vielleicht sogar jene zwischen rechts und links verschwinden ließ".

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