Interview mit Annika Büsing: „Ein Theaterabend ist krass“

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Annika Büsings erster Roman „Nordstadt“ wurde mehrfach ausgezeichnet. Ihr zweiter Roman „Koller“ wird jetzt am Theater Oberhausen uraufgeführt. Ihr drittes Buch „Wir kommen zurecht“ ist gerade erschienen. Ein Gespräch mit der klar und rasant erzählenden Autorin und leidenschaftlichen Musikhörerin.
Kulturkenner: Frau Büsing, wie ist das, wenn der eigene Roman auf die Theaterbühne kommt?
Annika Büsing:
Es ist ja schon besonders, wenn der geschriebene Text zwischen zwei Buchdeckeln landet. Aber wenn dann auch noch ein Theaterabend daraus entsteht, ein ganz neues Produkt, das ist krass. Ich habe eine riesige Ehrfurcht davor, dass sich Menschen mit so viel Liebe und so viel Arbeit mit diesem Text, mit diesen Figuren, mit dieser Handlung beschäftigen. Und dann stehen da später Schauspieler*innen auf der Bühne, die die Sätze sagen, die ich irgendwann mal geschrieben habe.
Bühne
Annika Büsings "Koller"
Nach ihrem Erfolgsdebüt "Nordstadt" hat Annika Büsing mit "Koller" eine berührende und warmherzige Liebesgeschichte geschrieben, die Regisseur Jonas Weber nun auf die Bühne bringt.
Kulturkenner: Und mischen Sie sich in irgendeiner Form bei den Proben ein?
Annika Büsing:
Nein, das wäre ja nervig. Im Vorfeld habe ich viel mit dem Regisseur Jonas Weber und dem Dramaturgen Jascha Fendel gesprochen, zum Beispiel über Musik. Denn Musik macht ganz viel mit der Stimmung.
Kulturkenner: In ihren Romanen geht es häufig Schlag auf Schlag, Sie schreiben klare Worte in einem ziemlich rasanten Tempo. Dieser Sprachrhythmus sorgt für einen gewissen Flow beim Lesen. Das erinnert dann manchmal auch schon an Musik oder eine Art musikalisches Rauschen.
Annika Büsing:
Für mich soll Sprache direkt wirken, wie Musik. Durch Wiederholungen und die Satzmelodie entsteht eben auch eine gewisse Stimmung.
Kulturkenner: Ist Musik ein wichtiger Teil ihres Lebens?
Annika Büsing:
Unbedingt, ich höre gerne und viel Musik – Indie, Rock, Punk – und gehe regelmäßig zu Konzerten. Die Hardcore-Punk-Szene war immer ein Safe Space für mich. Ich habe viel Zeit in Proberäumen verbracht und beobachtet, wie Musiker*innen intuitiv an Ideen arbeiten. So ähnlich schreibe ich auch. Ich überlege mir vorher keinen Plot, das kann ich gar nicht. Das Thema kristallisiert sich dann beim Schreiben heraus.
Kulturkenner: Sie sind Lehrerin für Deutsch und Religion an einem Bochumer Gymnasium. Und sie haben zwei Kinder, mittlerweile im Teenageralter. Wann finden Sie Zeit zum Schreiben?
Annika Büsing:
Ich schreibe immer dann, wenn es gerade passt, mal am Abend oder am Wochenende. Mein Vorteil ist, dass ich kein festes Setting brauche. Mir reicht mein Laptop. Viele Szenen schreibe ich erst im Kopf, zum Beispiel beim Fahrradfahren, und tippe sie dann, wenn ich Zeit habe. Es ist wie eine Art Spiel.
Literatur
Annika Büsings dritter Roman „Wir kommen zurecht“
Annika Büsing geht mit ihrem dritten Roman "Wir kommen zurecht" auf Lesetour durch NRW.
Kulturkenner: Sie haben 2022 Ihren ersten Roman veröffentlicht, „Nordstadt“, damals waren Sie 41 Jahre alt. Das ist recht spät. Haben Sie da erst mit dem Schreiben begonnen?
Annika Büsing:
Nein, geschrieben habe ich schon immer – und mit viel Spaß. Mit Anfang 20 habe ich versucht, einen Verlag zu finden. Das hat – Gott sei Dank – nicht geklappt. Bei „Nordstadt“ habe ich dann gespürt, dass es etwas sein könnte. Da hatte ich meine Stimme gefunden. Ich bin nicht finanziell abhängig vom Schreiben, das gibt mir eine gewisse Freiheit.
Kulturkenner: In Ihrem neuen Buch „Wir kommen zurecht“, mit dem Sie gerade auf Lesereise sind, erzählen Sie vom 18-jährigen Philipp und seiner Familie, die fast an der psychischen Erkrankung der Mutter zerbricht. Anders als in den beiden vorherigen Romanen erzählen Sie diesmal multiperspektivischer.
Annika Büsing:
Ich hatte viel Spaß daran, den Ton zu wechseln, einmal den Erzähler raushängen zu lassen (lacht). Aber auch hier ist es eine Figur, nämlich Philipp, der das ganze Erzählen trägt. Denn am Anfang des Schreibens steht für mich meistens eine Figur.
Interview
Sarah Heppekausen

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