„Hip-Hop bedeutet kreative Freiheit.“ Im Gespräch mit „Tait La Ragazza“-Musiker Luca

MusikDüsseldorf Festival 2024
Die Musiker*innen Jenia und Luca bilden zusammen das Duo „Tait La Ragazza“. Mit ihrer zeitgenössischen Interpretation von Hip-Hop möchten die beiden Genregrenzen sprengen und warme Hip-Hop-Retrosounds mit gesellschaftskritischen Themen verbinden. Wie das klingt, präsentiert das Duo u. a. im September beim Düsseldorf Festival. Wir haben mit Luca darüber gesprochen, was den Hip-Hop des Duos so einzigartig macht, inwiefern Musik mit bildender Kunst zusammenhängt und wofür der originelle Bandname eigentlich steht.
„Tait La Ragazza “ hat sich erst im letzten Jahr formiert und schon jetzt das erste Album herausgebracht. Wie sind das Duo und die Musikrichtung entstanden?
Luca:
Jenia und ich machen schon seit elf Jahren in verschiedenen Konstellationen gemeinsam Musik und haben die unterschiedlichsten Genres ausprobiert – von Rock über Metal bis Pop und Elektro. Während der Coronazeit sind wir dann in uns gegangen und haben uns überlegt: Was machen wir überhaupt für ein Genre und was wollen wir eigentlich machen? Unsere Hörgewohnheiten haben sich geändert und wir haben gemerkt, dass wir selbst eher Hip-Hop und Soul hören. Dann haben wir uns 2023 dazu entschieden, neue Musik zu machen bereits im September letzten Jahres die ersten Songs veröffentlicht – Stück für Stück. Im Mai haben wir dann unser erstes Album „Doana“ released und arbeiten gerade am nächsten Album. Der erste Song des Albums heißt „Lemon Trees“ und ist letzte Woche erschienen.
Auf der Website wird die Musik von „Tait La Ragazza“ als eigene Version eines zeitgenössischen und souligen Hip-Hop beschrieben. Was können wir uns darunter vorstellen?
Luca:
Gerade mit den neuen Songs haben wir uns immer mehr am englischsprachigen Hip-Hop orientiert, was für mich auch das Kerngenre unserer Musik ist, weil Hip-Hop so viele Freiheiten lässt: Hip-Hop kommt ja aus einer Idee des Samplings. Man bedient sich anderer Genres, lässt sich inspirieren, und deswegen empfinden wir Hip-Hop als das Genre, das am meisten Innovation möglich macht: Dem Genre sind die nichtexistierenden Genregrenzen schon inhärent. Durch die ganzen musikalischen Einflüsse auf den Hip-Hop, sei es Elektro, Rock, Blues oder Jazz, hat man so viele kreative Freiheiten. Wir orientieren uns an Musikern wie J. Cole und Kendrick Lamar, also traditionellem amerikanischem Conscious Rap mit ernsten Themen und viel Wärme. Aber auch an modernen Sounds à la Travis Scott.
Gibt es ein wiederkehrendes inhaltliches Thema eurer Musik?
Luca:
Unsere Songs drehen sich inhaltlich um das Sein im Anthropozän, beschäftigen sich also mit den vielfältigen Problemen und Fragestellungen der heutigen Zeit. Wir setzen uns mit vielen gesellschaftskritischen und sozialen, aber gleichzeitig auch mit persönlichen Themen auseinander. Mit Liebe und Verlust etwa, Themen, die sich immer auch in dem Kontext der Frage bewegen: Wie können wir in dieser für uns alle komplizierten Zeit, persönliche Dinge verarbeiten?
This is not about me / This is just about you / It was all about us / And nobody can choose / In this twentyfirst century
„Earthquake" von Tait La Ragazza
Wie zeichnet sich der passende Sound zu den Texten aus?
Luca:
Unsere Musik besteht, obwohl wir beide Instrumente spielen, aus kaum selbst eingespielten Instrumenten, sondern hauptsächlich aus gesampelten Beats. In der Kunst würde man dazu Ready-Made oder Arte Povera sagen. Man nutzt, was man findet und beflügelt so die eigene Kreaitivität, indem man nicht alles selbst einspielt, sondern verändert und sampelt. Wir arbeiten also mit Vinyl, Samplingspuren und einer Samplermaschine, bauen die Beats und dann rappen und singen wir beide gleichermaßen darauf.
Wenn man den Bandnamen liest, kommt man schnell ins Grübeln. Wofür steht „Tait La Ragazza?“
Luca:
Erstmal hat uns vor allem der schöne Klang des Namens zugesagt. Und er befindet sich in einer Fragestellung, man weiß nicht wirklich, was er bedeutet. Das ist auch, was wir mit unserer Musik ausdrücken möchten. Wir möchten uns nicht in Grenzen pressen lassen oder klare Assoziationen mit dem Namen zulassen, dass man z. B. denkt: „Ah, das ist doch ein Hip-Hop-Name oder ein Singer-Songwrite-Name.“ Und vor allem möchten wir einmalig sein. Etwas liefern, das man noch nie gehört hat. Mit dem Namen und der Musik.
Was macht die Musik denn so einzigartig und wie unterscheidet sie sich von anderen Hip-Hop-Acts?
Luca:
Gerade im deutschsprachigen Raum gibt es keine besonders große Szene an englischsprachiger/internationaler Musik. Es gibt eine große Deutschrap-Bubble, aber wir sind eine internationale Generation und möchten auch mit unserer Musik international hörbar sein, eine internationale Sprache sprechen. Was uns außerdem ausmacht, ist der Versuch, die Retro-Vibes, warmen Grooves und Gefühle aus dem Hip-Hop mit aktuellen Thematiken und einem modernen Stil zu verbinden.
Beim Düsseldorf Festival spielt „Tait La Ragazza“ im Theaterzelt auf dem Burgplatz. Was bedeutet der Ort und der Festivalkontext für den Auftritt?
Luca:
Generell ist es für mich als gebürtiger Düsseldorfer immer toll, in Düsseldorf spielen zu dürfen. Beim Düsseldorf Festival ist es besonders interessant aufzutreten, weil das ja eigentlich ein Ort der Performativen Kunst ist und wir beide ursprünglich auch aus der bildenden Kunstrichtung kommen. Ich habe an der Düsseldorfer Kunstakademie und Jenia hat Kunstgeschichte studiert, wir sind beide schon immer künstlerisch aktiv gewesen. Musikperformance ist für mich immer gleichgesetzt mit Kunstperformance, da gibt es keine klare Trennung. Wir spielen unsere Livemusik mit unseren Stimmen und der Samplingart, produzieren also keine Livemusik im Sinne von Gitarrensoli und dergleichen. Dadurch ergeben sich bei uns also die gleichen Fragen, die man auch in der bildenden Kunst hat: Fragen nach Material, Performance und Authentizität. Aber auch nach der Raffinesse der Gestaltung. Das haben wir ja in den letzten 50, 60, 70 Jahren in der bildenden Kunst gesehen, dass das scheinbar offensichtliche Handwerk immer mehr in den Hintergrund und die Kreativität in den Vordergrund gerückt ist. Das ist auch das, wofür wir stehen.
Autorin: Simone Saftig

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