Thomas Mann hat das Schauspieler-Wesen seines zeitweiligen Schwiegersohns und Ehemanns von Tochter Erika mit der Existenz des Glühwürmchens verglichen: am Tag unscheinbar, abends leuchtend. Klaus Mann war weniger liebvoll mit seinem Schwager Gustaf Gründgens. Er porträtierte ihn, kaum verhüllt, unter dem Namen Hendrik Höfgen in seinem Schlüsselroman „Mephisto “ als Prototyp des Mitläufers und "Affe der Macht" in einem zutiefst unwahren System – der Diktatur des Nationalsozialismus.
Gründgens, am 22. Dezember 1899 in Düsseldorf geboren und dort von 1947 bis 1955 Intendant des Schauspielhauses, ist Teil der deutschen Kulturgeschichte – von der Weimarer Republik über das Dritte Reich bis in die Bundesrepublik. Als Theatermann eine europäische Größe und Ausnahmeerscheinung, wurde er – wider Willen – als Generalintendant der Preußischen Bühnen, Staatsrat und Senator unter dem Schutz des Ministerpräsidenten Göring zum kulturellen Repräsentanten der Hitler-Herrschaft. „Energischen Willen“ und „nervöses Temperament“ hatten ihm seine Düsseldorfer Lehrer Louise Dumont und Gutsav Lindemann 1920 attestiert nebst einer „sinnfälligen Ausformung der seelischen Struktur problematischer Naturen“. Das sollte so bleiben. Der Künstler im Zwielicht.
Von Halberstadt über Kiel kam er zu den renommierten Hamburger Kammerspielen von Erich Ziegel und bahnte sich von dort aus den Weg nach Berlin: heißes Pflaster für den „monokelhaltigen Schauspieler“, wie ihn Alfred Kerr nannte. Elegant, extravagant, alert und aasig, trieb ihn die Lust zum Erfolg durch Revuen, Kabarett und Operette, Schauspiel, Oper und Film (darunter als Syndikats-Verbrecher mit Melone in Fritz Lang Meisterwerk „M“). Ein Hirnakrobat und Tänzer auf dem Vulkan, spielte Gründgens 1932 seinen ersten Mephisto im „Faust“, zeigte ihn als „Agenten, Demagogen und Manager“, wie Herbert Ihering schrieb.
1933 erfolgte der Pakt mit dem Teufel in brauner Uniform. Gründgens war kein Nazi, er betrachtete und verteidigte sein Theater als „Insel“, Ordnungsraum und Sicherheitsbezirk. Er versuchte künstlerisch unbeschadet das Regime zu überstehen, half auch politisch Verfolgten, aber unterlag doch einer Realitätsverkennung. „Macht wurde von ihm nicht in Frage gestellt oder überprüft, sondern bestätigt“, analysiert sein Biograf Peter Michalzik. Er habe „mehr schlucken müssen, als man wohl darf ohne Schaden zu nehmen an seiner Seele“, äußerte er selbst in einem Brief.
Längst war Gründgens geschieden von Erika Mann und diese wie die gesamte Familie des Nobelpreisträgers im Exil. Gründgens vermählte sich mit Marianne Hoppe, die zweite legendäre Verbindung. Doch auch diese Ehe hatte keinen Bestand. Wohl aber die künstlerische Beziehung des Paars auf der Bühne und Leinwand. Seiner Frau hatte er das Drehbuch zur Fontane-Verfilmung „Effi Briest“ als Brautgabe überreicht und als Regisseur mit ihr den Film "Der Schritt vom Wege" gedreht.
Gründgens, ein Fanatiker der Präzision, wurde nach 1945, nachdem die Sowjets ihn kurz kalt gestellt hatten, zum Vertreter der absoluten Werktreue auf dem Theater. Im Dienst der „Partitur der Dichtung“ baute er seine glänzenden klassischen Inszenierungen mit großer Klarheit und strengem Formwillen bis zum Formalistischen. Seine letzte Station war das Hamburger Schauspielhaus, wo er sich in großer Selbstzucht disziplinierte. Gründgens starb 1963 in Manila – man fand neben seinem Bett eine Notiz: „Lasst mich schlafen“.
