Kleine Geschichten über große Gefühle: Frank Goosen

Literatur
Vergleiche können hinken, lahmen, oder sie sitzen direkt im Rollstuhl. Als Frank Goosen im Jahr 2000 seinen ersten Roman „Liegen lernen“ veröffentlichte, erschienen in rascher Folge Kritiken, die im Autor „den deutschen Nick Hornby“ sehen wollte. Mittlerweile hat der Bochumer Kabarettist solche einfallslosen Betitelungen nicht mehr nötig. Der Name trägt allein.

Wenn andere Deutschland sind, dann ist Frank Goosen das Ruhrgebiet, oder genauer: Bochum. Dort ist er 1966 geboren. Dort ist er geblieben. Obwohl er schon im zarten Alter von drei Jahren einen ersten, eher zufälligen Auftritt im Speisesaal eines Hotels in Bad Godesberg absolvierte. Einige Minuten lang interpretierte er Schlager und Kinderlieder, um danach an den Tischen Geld einzusammeln. Auch Rampensäue fangen bekanntlich mal klein an.

Goosen lässt die Bühne nicht mehr los, und so gründet er nach seinem Studium der Geschichte, Germanistik und Politik in Bochum mit Jürgen Malmsheimer das Kneipen-Literaturkabarett „Tresenlesen“. Wie der Name schon sagt, sitzen zwei Männer am Tresen, lesen hochkomische Geschichten mit verteilten Rollen, preisen das Fremdwort als solches und steigern sich in ihre Texte hinein. Wobei Letzteres insbesondere für Herrn Malmsheimer gilt. Das Konzept hat so großen Erfolg, dass irgendwann die Kneipen zu klein werden und größere Hallen gebucht werden müssen.

Im selben Jahr räumt Goosen mit „Liegen lernen“ richtig ab. Er hat mit dem Roman den Ton einer Generation getroffen, die zu diesem Zeitpunkt um die 40 ist und auch schon mal zurückblickt. „Liegen lernen“ erzählt von der Pubertät der Generation Goosen, und bei der Lektüre erweist sich popkulturelle Bildung über die Musik jener Jahre als hilfreich. Deswegen scheint der Vergleich zu Nick Hornby dann doch wieder nicht so weit hergeholt, obwohl Goosens Helden anderes zu tun haben, als im Plattenladen rumzuhängen. 2003 wird das Werk verfilmt. Nach „Liegen lernen“ folgen „Pokorny lacht“, „Mein Ich und sein Leben“ und „Pink Moon“.

Ernst macht Goosen dann 2007: Sein Roman „So viel Zeit“ erzählt, was aus den Liegenlernern von damals geworden ist – nicht mehr so witzig, wie man es vom Autor erwarten würde. Vielmehr geht es um die Krise in der Mitte des Lebens und die Erkenntnis, dass man gefälligst „mal wieder rausgehen sollte, um ein paar Erinnerungen zu produzieren“.

Diese Mischung aus Witz und trotziger Sentimentalität prägt auch Goosens Bühnenprogramm „A 40 – Geschichten von hier“. Es sind kleine Geschichten über das Lebensgefühl des Ruhrgebiets, die Menschen, den Fußball und, natürlich, Bochum. Oder größer gesagt: Heimat. Selbstbewusst und gerne mal in deftigem Pott-Vokabular. Derselbe Ton wie in seiner Sammlung von Fußballgeschichten „Weil Samstag ist“ oder in seinem 2023 erschienenen Fußballroman "Spiel ab" über eine Bochumer Jugendmannschaft. Wobei man als Fan des VfL Bochum bekanntlich einem hohen Leidensdruck ausgesetzt ist.

Goosen arbeitet in Gedanken derweil schon an Größerem. In einem Interview erwähnt er seinen Plan, mal einen richtig großen Ruhrgebietsroman zu schreiben, von der staubigen Vergangenheit bis zur Kulturhauptstadt. Vielleicht die Buddenbrooks aus dem Kohlenpott. Aber das hat noch Zeit. Bis dahin wird Frank Goosen, wie in „A 40“ beschrieben, oben auf der Eisenbahnbrücke am Lohring stehen, auf seine Stadt blicken und zusehen, wie die Sonne im Westen hinter Bochum-Stahlhausen untergeht. Und dann wird er sich wohl denken: „Schön is dat nich. Aber meins.“

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