Film

Im Kino: "Lola" von Andrew Legge

F wie Fiktion und Fälschung, aber was für eine! Raffiniert, trickreich und ein einziger thrill. Zwei Schwestern erfinden eine Zeitmaschine in die Zukunft und drehen an der Geschichte. Plötzlich hat Hitler England erobert.

Die Schwestern Thom und Mars Hanbury (Emma Appleton, Stefanie Martini),  die wir in den sich als historisches Dokument und Protokoll ausgebenden, mit der Handkamera verwackelt gedrehten Bildern zunächst als kleine Mädchen sehen, spielen weniger mit Puppen, sondern lieber mit Fotoapparaten und Grammophonen. Als flippige, spleenige und kesse Erwachsene – von Natur aus aufsässig und Punk avant la lettre ­– haben sie 1938 die Erleuchtung: Sie konstruieren eine Maschine, die sie zu Ehren ihrer Mutter LOLA nennen. Damit lassen sich Radiosendungen und Fernseh-Schnipsel aus der Zukunft empfangen. Als erstes sehen und hören sie David Bowie als Major Tom und noch andere künftige Realitäten, aber auch Schrecknisse wie Europa unterm Hakenkreuz.

Das doppelte Girl-Wunder – die helle und die dunkle Schwester – weiß sich in Szene zu setzen und macht gute Figur auf jeder Bühne, etwa mit Songs von Morgen. Und antizipiert deren Heroen, Rebellen, Avantgardisten, Träumer wie John Lennon. Sie wollen ihre Erfindung zum Wohle der Menschheit und des britischen Siegs nutzen. Aber die Lust an der Manipulation ist verführerisch und gefährlich. Das System kippt, die positive Kraft changiert in die Negation. Das Betätigen der Maschine, so wie Thom es tut, kann Zukunft auch löschen. David Bowie gibt es nicht, Nina Simone, Stanley Kubrick sind eliminiert.

Von ihrer Technikstation, die zunächst für einen Piratensender gehalten wird, warnen sie als „Engel von Portobello“ vor den deutschen Luftangriffen. Bald übernimmt der Militärgeheimdienst unter Major Cobcroft und seinem schmucken Adlatus Sebastian das Kommando, oder glaubt es zu tun. Was ist gegen diese Zeitmaschine Alan Turings Enigma-Dechiffrier-Computer! Das Kriegsgeschehen wird gesteuert, inklusive des In-Kauf-Nehmens von Opfern, als ein US-amerikanisches Passagierschiff mit 2000 Passagieren, das als Köder dient, unter Beschuss untergeht. Das Spiel gerät außer Kontrolle. Zauberlehrling Thom wird zum skrupellosen Demiurgen.

Eien brillante Film-Fantasie entlang der Geschichte

Anfangs sagt Churchill Dank, während Göring ins Schwitzen gerät. Aber das Blatt wendet sich. Die Luftwaffe gewinnt die Oberhand, das Resultat ist ein faschistisch gewordenes England, in dem Thom zur hofierten Berühmtheit wird und Hitler auf Staatsbesuch über den Kanal fliegt. Wie aber lässt sich ein gefährlich genialer Mensch aufhalten, der das alles ersonnen hat?

Andre Legges brillante Idee über eine brillante Idee und Horror-Fantasie ist eine mit optischen Effekten lustvoll operierende Film-Montage und eine, noch eine und dann weitere Kurven nehmende abenteuerlich wilde Jagd, die auch für einen Indiana Jones zur größten Herausforderung geworden wäre. 

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Im Kino: "Lola" von Andrew Legge

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