BühneTanz

Zeit zur (Klima)Wende

bis 09.12.2023
„180 Grad“ heißt das neue Stück aus dem Tanztheater Cordula Nolte: Das neunköpfige Ensemble bringt mit seiner Inszenierung auf der privaten Studiobühne im Unionviertel Bewegung in die Klimadebatte.

Die Quintessenz kommt gleich zu Beginn. „Zeit zur Wende!“ ruft eine Tänzerin, gummistiefeltief in einem Erdhaufen stehend und prophetisch in die Ferne blickend. Das Publikum folgt dankbar der Aufforderung: Schließlich sind alle Stühle zunächst mit dem Rücken zur Bühne ausgerichtet. Nach und nach vollziehen die Zuschauer mit dem Stuhl ihre persönliche 180-Grad-Wende. Wenn der Wandel doch nur immer so einfach wäre!

Torfig riecht es nun im Theater, und es ertönen sphärisch-hypnotische Jodelklänge. Das Ensemble (Shirin Evin Ates, Kirsten Dohmen, Alexandra Grothe, Sybille Riese, Sabine Siegmund, Birgit Sirocic, Sandra Klabisch, Olaf Nowodworski, Wiebke Wexeler) geben sich entspannt dem Naturerlebnis hin, vollführen Schuhplattler-Bewegungen am Boden, kriechen, wirken entspannt und heiter, eins mit der Natur. Doch damit ist es bald vorbei. „Yes“ und „No“ hat ein Ensemble-Mitglied inzwischen mit Mehl auf die Erde gemalt, „yes!“ und „no“ rufen auch die Tänzerinnen wild durcheinander: Machen oder nicht machen? Die ganze Widersprüchlichkeit, die wir Menschen beim Umgang mit dem Klima an den Tag legen, steckt in der nächsten Szene: Die Darstellerinnen drehen sich nach links und dann nach rechts. Sie werden ganz klein, um sich dann wieder auszustrecken. Sie strampeln sich ab, kommen aber kaum von der Stelle. Und wenn es dann doch ein Stück vorwärts geht, krabbeln gleich darauf wieder alle chaotisch durcheinander.

Auch in der Gruppe, in Gesellschaft läuft es nicht besser: In der nächsten Szene bilden die Tänzerinnen eine mächtige, bedrohlich wirkende mobile Einheit, in der wiederum kopflos über die richtige Richtung verhandelt wird – bis der Boden zu heiß zu werden droht. Die Auswirkungen auf Natur und Umwelt zeigt die nächste Szene: Während sich im Vordergrund eine geschundene Kreatur zu Flug- und Motorenlärm hilflos in der Erde zu vergraben sucht, zittert eine Tänzerin paralysiert im überdimensionierten Spinnennetz, das einzige Requisit auf der Bühne. Schmetterlinge, die eben noch zart flatterten, verheddern sich. Stress!

Die Katastrophe ist da – und die Menschheit taumelt orientierungslos durch die Szenerie, verschließt die Augen, bereit, nun alle Verantwortung abzugeben, sich tragen oder führen zu lassen. Apathisch, wie ferngesteuert fahren sie in rollenden Einkaufswagen durch das Elend.

Szenenwechsel nach der Pause. Überlebensgroß stehen die Tänzerinnen in bodenlangen weißen Plastikröcken auf verdeckten Podesten – und beträufeln sich nach und nach mit Farbe, bis Arme und Rock bunt sind. Ist sie das, die konsequente Verwandlung, das eindeutige Ja? Ein hinzukommender Maler vervollständigt das Werk, setzt hier und dort weitere Tupfen. Erst jetzt, am Ende, sind die Bewegungen der Tänzerinnen harmonisch und aufeinander abgestimmt, sie bewegen sich im Einklang und scheinen intuitiv zu wissen, wie miteinander umzugehen ist. Grüne Farbe regnet auf einen Regenschirm, grün wird der Boden, grüne Tünche bedeckt bald alles, auch die Tänzerinnen, die sich in heroischer Pose über die gelungene Umetikettierung zu freuen scheinen – doch der Boden, auf dem sie sich bewegen, ist rutschig…

Viel Applaus und Jubel gab es für die tänzerischen Leistungen, die starken Bilder der Choreografie von Cordula Nolte, die noch lange im Kopf haften bleiben, und die größtenteils eigens für das Stück entstandene Musik und Klänge von Olaf Nowodworski.

www.tanztheater-cordula-nolte.de

BühneTanz

Zeit zur (Klima)Wende

bis 09.12.2023

Mehr Kultur aus NRW mit unserem Newsletter

Kulturkenner patternKulturkenner pattern