Kunst

"Worldbuilding: Videospiele und Kunst im digitalen Zeitalter"

04.06.2022 - 04.02.2024
Eine große Schau zum 15. Geburtstag der Julia Stoschek Collection untersucht die Beziehung zwischen Kunst und Computerspielen. „Worldbuilding“ informiert über aktuelle Tendenzen der Bewegtbild-Kunst und zeigt, wie Computerspiele als Basis für Gegenwartskunst dienen können.

Immer schon hat die Kunstwelt, die sich gerne als Avantgarde versteht, neue Techniken und Bildsprachen für sich entdeckt und anverwandelt. Der dokumentarische Stil hat in den 1960er Jahren mit dem Medium Video – meist schwarz-weiß und schön verwackelt – Einzug in die Kunstwelt gehalten. Warum also sollten nicht auch Videospiele mit ihrer Ästhetik irgendwann die Kunst kapern? Immerhin sind sie ein weltweites Massenphänomen, das auch wirtschaftlich nicht mehr zu ignorieren ist.

So feiert die Julia Stoschek Collection ihr 15-jähriges Jubiläum in Düsseldorf nun mit einer großen Ausstellung zu Videospielen und Kunst: „Worldbuilding“ titelt die Schau, sie bildet die jüngsten Entwicklungen der Bewegtbild-Kunst ab und zeigt auf, wie Künstler*innen sich mit Computerspielen auseinandersetzen und sie zur Kunstform machen. Kurator ist Hans Ulrich Obrist. Sammlerin Julia Stoschek hat im Laufe von zwanzig Jahren eine der größten Privatsammlungen für zeitbasierte Kunst zusammengetragen, in der aktuellen Ausstellung allerdings sind nur einige Arbeiten aus dem eigenen Fundus dabei.

Videospiele in der Kunst, etwas hat sich offenbar geändert: das altbekannte und bewährte Schema von Gut und Böse scheint in den meisten der Neukreationen dieser lauten bunten Schau verlorengegangen zu sein. Liebe oder Tod, Hell oder Dunkel, Freund oder Feind... es ist komplizierter. Wie zum Beispiel in dem Video „She Puppet“ von 2001 von Peggy Awesh oder in „Permanent Sunset“ (seit 2020), wo der Avatar LaTurbo Avedon sich durch eine romantisch leere und friedliche Landschaft bewegt, aus der alles kämpfende Personal entfernt wurde. In dem den Ego-Shooter-Spielen nachempfundenen Setting von Danielle Brathwaite-Shirleys: „She Keeps Me Damn Alive“ von 2021 geht es darum, in Umkehrung der Action-Kill-Agenda, Leben zu retten und zu schützen; eine Rauminstallation mit dunkelroten samtenen Wandbehängen.

Die Künstler*innen sammeln im Computerspiele-Universum viel Material und Bausteine für die Erfindung neuer virtueller Welten – und eben auch für die Störung vertrauter Rituale. Politisch sind die Arbeiten meist hochaktuell und sehr zeitgenössisch, wenn es um hybride Identitäten, Gender oder antikoloniale Debatten geht. Es gibt experimentelle Videofilme aus found footage, digitale Animationen, narrativ oder dokumentarisch, improvisiert oder mit Skript. Die modifizierten Videospiele dienen oft auch zur Untersuchung der Beziehung zwischen Technologie und Kultur und deren Schnittstellen, viele laden ein zu Interaktion. Gesellschaftskritik vermischt sich mit Pop-Ästhetik, Surrealismus, Fabelwesen oder dystopischen Visionen der sozialen Medien. Es geht um Begriffe von Katastrophe, um Begehren und Erinnerung, virtuelle Realität und Skulptur, um Oktopusse und Superhelden im Raumanzug.

Theo Triantafyllidis‘ 2019 entstandene Virtual-Reality-Arbeit „Pastoral“, in der eine muskelbepackte Figur mit hybrider Genderidentität durch ein Getreidefeld wandert, kann man auf einem Strohballen sitzend betrachten. Der kleine Raum riecht wunderbar. Mein Alter Ego auf dem Bildschirm gleicht einem Ork und läuft durch ein virtuelles Getreidefeld, während ich darin zu sitzen scheine.

Die Entwicklung der Computerspiele war immer schon abhängig vom technischen Fortschritt der Computertechnik, das gilt wohl bis heute und betrifft auch die Medienkunst. Der aus den 1980er Jahren stammende Videospielklassiker „Pacman“ taucht 2012 in der Arbeit von Sturtevant (1924-2014) auf, hier im ersten Raum. Ein schöner Start für eine Ausstellung, die ein deutlich anderes Publikum anvisiert als die Kunsthäuser üblicherweise. Diesmal werden wohl die jüngeren Besucher*innen die Experten sein ... und ihre Eltern zum Ausstellungsbesuch drängen. Von denen werden sich manche dann wohl freuen, wenigstens den kleinen gelben Pacman zu kennen.

„Worldbuilding. Videospiele und Kunst im digitalen Zeitalter“, Julia Stoschek Foundation, Düsseldorf, bis 10.12.23

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