Eine Welt irgendwo zwischen Kakanien und Transsylvanien, den Alpen und dem Balkan. Schauplätze heißen: „Sudetenwaltz, Nebelswald, Zubrowka, Mendl und Bruckner“. Deutsche Stammbäume werden umgetopft und beschnitten, geografische Grenzen verschoben, historische Stunden gerafft oder gedehnt. Eine dritte oder vierte Wiener Moderne hinterlässt Spuren. Panzer rollen, Soldaten marschieren und schießen Leute tot – es ist Krieg, der aussieht wie der von 1914/18 und doch wohl der von 1939 ist. Eine Grippe-Epidemie bricht aus, die bei Wes Anderson die preußische und nicht die spanische heißt.
Erzählt wird auch: zu viel oder zu wenig, das kann man so oder so sehen. Der Film ist rappelvoll gestopft, auf dass einem ganz leer im Kopf wird. Ein älterer distinguierter Schriftsteller hält Audienz und teilt uns, seinen geneigten Lesern, mit, dass die folgende Geschichte so, wie sie abläuft, ihm angetragen worden sei und er sie nur getreulich wiedergeben würde. Als junger Mann (Jude Law) war er selbst Gast im Grand Budapest Hotel und aufmerksam geworden auf einen fremdländischen Herrn, Zero Moustafa (F. Murray Abraham), der dann beim Diner sein Leben vor ihm ausbreitet.
Besitzer der Luxus-Herberge, hatte Zero dort einst als Lobby-Boy angefangen, protegiert vom flamboyanten und galanten Concierge Gustave (Ralph Fiennes). Der ist der eigentliche Held: Womanizer, Elégant, Gentleman, Connaisseur und ästhetische Existenz. Als ihm das reiche Erbe einer verschiedenen Witwe und früheren Geliebten (Tilda Swinton) zugesprochen werden soll, vordergründig bestehend aus einem kostbaren Gemälde, wird er Opfer einer Intrige durch den sinistren Sohn (Adrien Brody) der Adelsdame auf Schloss Lutz. Der heuert einen Killer (Willem Dafoe) an und bringt Gustave und seinen Adlatus Zero und dessen große Liebe Agatha in die Bredouille.
Es gibt chaplineske und comichafte Momente, hinreißende, mit antiquarischer Lust gestaltete Interieurs, exquisiten (großteils in Görlitz gedrehten) Zuckerbäckerstil, eine rasante Schlittenfahrt, Dunkelkammern mit Kreuzgang, Gruft und Katakomben, eine Bestenliste mit Schauspielern, die wie Billy Murray, Harvey Keitel, Jeff Goldblum oder Léa Seydoux geradezu verjubelt werden. Es gibt alles, außer einem Kern – nur Schalen, Hüllen, Verpackungen. Man fühlt sich eingewickelt. Und zwanglos genötigt, sich auf Andersons eigensinnige und querköpfige Spielregeln einzulassen und seinen Weltentwurf zu akzeptieren, ob von gestern und vorgestern, heute oder übermorgen. Diese Hommage an die gar nie so gute alte Zeit, inspiriert von Stefan Zweigs „Welt von Gestern“, ist ein einziger Anachronismus und dabei so anregend wie ein Tonikum, gemixt aus Wehmutstropfen und Lach-Tränen.