Film

„Toni Erdmann“ von Maren Ade

Das komödiantische Familiendrama mit Peter Simonischek und Sandra Hüller in den Hauptrollen stieß sowohl beim Publikum wie auch der Filmkritik auf positives Echo. Gedreht in Aachen und Bukarest erhielt der Film unzählige Preise, darunter auch eine Nominierung für den Oscar.

Winfried Erdmann (Peter Simonischek), geschiedener älterer Mann und halb gescheiterte Existenz, der sich um seine invalide Mutter kümmert und seinen bejahrten Hund Willi sterben sieht, hat den Kontakt zu seiner Tochter Ines verloren. So wie die international tätige Unternehmensberaterin selbst auch zu jedermann, sogar zu ihrem Lover (und bequemerweise untergebenen Mitarbeiter), den sie sexuell abschätzig und schnöde behandelt. Dass die doch eigentlich einfühlsam sanfte Sandra Hüller das spielt, macht das Psychogramm dieser Karrierefrau Ines nur noch akuter: tüchtig, effizient, tough und rational, aber leicht angespannt, unter Druck stehend und sich selbst disziplinierend.

Er reist ihr nach Bukarest nach, wo Ines für längere Zeit ein Outsourcing-Projekt zu betreuen und sich zwischen Businessmen zu behaupten hat, und beweist dabei Stalker-Qualitäten. Rumäniens Hauptstadt in ihrer sozialistischen Staats-Architektur und der neoliberalen Potemkin’schen Fassadenwelt, in die mal ein Baracken-Fleck sticht, ist der ideale Schauplatz für die Meetings, Präsentationen, Empfänge, Partys, Clubbesuche.

Erdmann redet einmal scherzhaft sogar davon, eine Ersatz-Tochter angeschafft zu haben, finanziert von der realen Tochter. Weil sich mit Geld sowieso alles regeln lässt. Er hat sich einen Bruder „Toni“ erfunden: Der kann tun, was Schicklichkeit dem anderen untersagt. Sich daneben benehmen, verrückt spielen, auf makabre Weise komische Figur und sehr penetrant sein. Eine Art Till Eulenspiegel im Zeitalter des Hyper-Kapitalismus und seiner kalten Rauschzustände.

Toni Erdmann kann Ines zeigen, wie ihr Leben sie sterilisiert. Dafür setzt sich der Vater eine Zottelperücke auf, schiebt sich falsche Zähne mit Überbiss in den Mund, trägt furchtbare Klamotten und ein maliziöses Pokerface, sieht aus wie der Horror-Darsteller im Loriot-Sketch und lässt die unglaublichsten Dinger los. Vater und Tochter bugsieren und nötigen sich mit verquälter Freude wechselseitig in peinigende, bloß stellende Situationen, die wiederum etwas Befreiendes bewirken.

Die symbolisch aufgeladenen Szenen und Aktionen (er kettet sich mit Handschellen an Ines, sie schmettert bei wildfremden rumänischen Leuten einen Whitney-Houston-Song, beim Geburtstags-Brunch in ihrer Wohnung machen sich alle nackt), die Maren Ade entworfen hat und in ernüchternder Sachlichkeit zur Ansicht bringt, sind Berliner Schule im Stil des frühen Fassbinder.

Ausgezeichnet mit vielen Preisen - und unter anderem nominiert für den Oscar sowie den Golden Globe Award - sorgte der Film um den Versuch einer Lebensrettung für viel Aufsehen in der Filmbranche.

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„Toni Erdmann“ von Maren Ade

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