Wenige Stunden noch bis zum Jahrtausendwechsel. Die Küche in dem in den Schweizer Alpen gelegenen Luxushotel Palace läuft heiß, der Kaviar in Dosen kommt kistenweise, der Manager (Oliver Masucci) kommandiert Köche und Servicepersonal, Stretchlimousinen rollen an, junge Skihäschen hoppeln, ein russischer Mafiosi mit Leibwächtern deponiert Geld und Gold in Koffern, während Boris Jelzin auf einem Moskauer Fernsehkanal seinen Rücktritt erklärt und die Macht an Putin abtritt, der ebenfalls in die Kameras spricht und Freiheiten annonciert. Ein Verweis auf die Gegenwart, der aber beim besten Willen nicht als politscher Kommentar und Menetekel zu lesen und anzunehmen ist.
Ein englischer Exzentriker (John Cleese) reist an mit einem lebenden Pinguin und einer mindestens drei Generationen jüngeren Ehefrau und wird als Toter über die Stunde Null ins 21. Jahrhundert gehievt. Schwule Klischeefiguren verteilen Küsschen. Ein paar traurige Frivolitäten garnieren Szenen, die sich als Sketche verkleiden oder umgekehrt. Milan Peschel als biederer Bankangestellten-Tölpel macht auf Groucho Marx und ist dennoch fehl am Platze. Eigentlich sind es alle.
Blondierte, geliftete, aufgespritzte, unter Perücken vermummte und wie verminte Greisengesichter geben das Rätsel auf, ob hinter den ledrigen Masken und getönten Sonnenbrillen vielleicht eine prominente Schauspiel-Persönlichkeit sich zur Unkenntlichkeit verhüllt. Mickey Rourke zu identifizieren, kommt einer Erschütterung gleich, als würde das weiße Hollywood Sign in den Hügeln über der Stadt, die sich einst Traumfabrik nannte, in sich zusammenstürzen.
Häuser, Wohnungen, Unterkünfte sind ein wiederkehrendes Motiv in den Filmen von Roman Polanski: der Umraum in "Ekel" und "Der Mieter", das New Yorker Hochhaus, in dem Rosemarie ihr Baby zur Welt bringt, die Verstecke für den Pianisten im von den Nazis besetzten und zerstörten Warschau. Jetzt also ein Hotel.
Noch einmal mit garstigem Gefühl – so wie früher? Mit seinem Namen verbindet sich vor allem ominöser oder aber sehr genau identifizierbarer Schrecken – Verstörung, Ausgrenzung, die seelische Krise und Zerrüttung, sich einschleichendes Grauen. Gelächter, ja, vielleicht, aber wenn, dann das höhnische Teufelslachen. "Tanz der Vampire", "Piraten" und die Verfilmung von Yasmina Rezas bürgerlicher Zimmerschlacht "Der Gott des Gemetzels" nehmen wir nicht ganz davon aus, aber das überdrehte Vergnügen, der Schabernack überwiegen darin.
Polanski hat mit "Rosemaries Baby" einen der beklemmendsten Horrorfilme überhaupt gedreht und in seinen "Macbeth", in "Der Pianist" und "Intrige" über den Fall Alfred Dreyfus immer auch das Blutbild der Geschichte hineingemalt und darin sein Schicksal als 1933 geborener, verfolgter polnischer Jude, der die Shoah überlebt, während Mutter und Großmutter ermordet wurden, reflektiert. Doch er steht im Zwielicht. Das Verhältnis von Täter und Opfer ist in seiner Person auf verstörende Weise aneinander gebunden: Er, dessen Frau Sharon Tate 1969 von Charles Manson ermordet wurde, entzog sich einem Prozess wegen Vergewaltigung in den USA durch Flucht, kam in der Schweiz in Hausarrest und wird nach weiteren Vergewaltigungsvorwürfen vielfach geächtet.
Womöglich hatte Polanski etwas vorgeschwebt wie Robert Altmans Haute Couture-Revue "Prêt à Porter", ein Spätwerk, das Charme, Esprit und elegante Bosheit vereint. Während dort Sophia Loren ihren Königinnenstatus verewigt, gibt ihn hier Fanny Ardant als wuschelköpfige Marquise und lüsternes Hundefrauchen preis. Alles wirkt glanz-, niveau- und witzlos. Dass Polanskis bedeutender polnischer Kollege Jerzy Skolimowski am Drehbuch mitgearbeitet hat, will einem nicht in den Kopf. Und so steht man betroffen und betrübt vor den Ruinen des Palace.