Kunst

„See Yourself As Lovers See You”: Dorothy Iannone und William N. Copley in der Sammlung Philara

13.08.2023 - 14.01.2024
In der Sammlung Philara kann man Arbeiten zweier Künstler*innen erleben, die sowohl als Pioniere der Kunst wie auch der sexuellen Befreiung Maßstäbe gesetzt haben. Die Ausstellung „See Yourself As Lovers See You”, präsentiert im Showroom des Sammlers Gill Bronner, vereint Provokatives von Dorothy Iannone und William N. Copley.

Eine knallbunte Freiheitsstatue mit üppigen, entblößten Brüsten, ein männliches Gegenstück, das seinen erigierten Penis wie eine Trophäe vorzeigt, oder eine promiske Schar beim lustvollen Gruppensex – die aktuelle Ausstellung in der Sammlung Philara eignet sich nicht für ein prüdes Kunstpublikum. „See Yourself As Lovers See You”, so betitelte Kuratorin Julika Bosch die Schau, die zwei Rebellen der US-Nachkriegskunst zusammenführt: Dorothy Iannone (1933–2022) und William N. Copley (1919–1996) durchkreuzten mit ihrer Kunst landläufige Vorstellungen von dem, was sich gehört, was gezeigt werden darf, was in der Regel unter den Tisch gekehrt wird. Sexuelle Befreiung, Selbstbestimmung als Mensch und als Künstler*in, Kampf gegen Zensur – solche Eigenschaften standen ganz oben in ihrer Werte-Hierarchie.

Im Showroom des Sammlers Gill Bronner, der die Gewerbehallen der ehemaligen Glasfabrik Lennarz im Stadtteil Flingern bespielt, entfaltet sich ein Dialog zwischen den Werken von Copley und Iannone – im realen Leben gab es zwischen den beiden wenige Berührungspunkte, sieht man einmal ab von einer Ausstellung im Berliner Haus am Lützowplatz, wo sie 1993 gemeinsam mit dem Fluxus-Künstler Emmett Williams unter dem Motto „Berliner Amerikaner“ auftraten. Während Copley, geboren in New York City, in den Fünfzigern für ein Jahrzehnt in Paris lebte, dann aber in die USA zurückkehrte, ist Dorothy Iannones Biographie eng mit Deutschland verknüpft. 1967 lernte sie in Reykjavík den Künstler Dieter Roth kennen. Die beiden wurden ein Paar. Durch Roth, den Iannone als ihre „männliche Muse“ ansah, erhielt die Amerikanerin Zugang zur europäischen Fluxus-Bewegung. Das Paar lebte abwechselnd in Basel, Düsseldorf, London und Island. Das in der Ausstellung vertretene Buch „Danger In Düsseldorf“ zeugt von ihrer Zeit in der Landeshauptstadt – Roth lehrte an der Kunstakademie. Seit 1967 lebte die Künstlerin in Berlin, wo sie im vergangenen Jahr im Alter von 89 verstarb.

Iannones psychedelisch angehauchten Werke, in denen Bilder, Geschriebenes und Ornamentales eine innige Liaison eingehen, sind echte Eyecatcher. Und überaus sinnlich. Es ist buchstäblich eine Lust, diese unverkrampften Arbeiten anzuschauen. Auch in akustischer Hinsicht kannte Dorothy Iannone kein Tabu: In einer Lounge der Ausstellung kann man sich ihre Schallplatte „Ewig Grün“ zu Gemüte führen. Zu hören ist ein Ausschnitt aus einem deutschen Volkslied, das sie singt, während sie sich selbst befriedigt.

William N. Copleys Bilder sind weniger grell, lassen aber gleichwohl an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Das gilt beispielsweise für seine Serie von übergroßen Briefmarkenzeichnungen, die er „Untitled (Lady’s Lib)“ betitelte. Oder für das Gruppensex-Gemälde „Towering Inferno“, das er im Nachhinein mit schwarzen Zensurbalken versah. Nicht gedacht als Eingeständnis, dass er zu weit gegangen war, sondern als Anspielung auf eine ähnliche Praxis in Porno-Magazinen der Sechziger und Siebziger – die Akteur*innen sollten auf diese Weise ihre Anonymität bewahren. Wie etliche seiner Kollegen setzte sich auch Copley mit der ikonischen US-Flagge auseinander: Das „Stars and Stripes“-Banner ersetzte er 1967 kurzerhand durch die Aufforderung „Think“. „Wer nicht denkt, fliegt raus“, diesen markigen Satz hatte 1977 Joseph Beuys geprägt. Zehn Jahre vor ihm hat William N. Copley schon Ähnliches postuliert – allerdings ungleich subtiler.

„See Yourself As Lovers See You. William N. Copley | Dorothy Iannone”, 13.8.–14.1.2024

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„See Yourself As Lovers See You”: Dorothy Iannone und William N. Copley in der Sammlung Philara

13.08.2023 - 14.01.2024

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