Die Beutel umrahmen die Fensterfronten der beiden Fachwerketagen aus dem Jahr 1576. Vom Untermarkt können Gäste nicht anders, als gebannt auf die beleuchteten Anziehungspunkte zu blicken. Die Sagen- und Märchengestalt Frau Holle betritt pünktlich um 17 Uhr ihre Bühne. Sie öffnet eines der Fenster, um das nächste Päckchen des großen Kalenders zu entbinden, die bemalte Holztafel mit Bibel- oder Weihnachtsmotiv herauszuholen und gemeinsam mit den versammelten Gästen zu singen. „Alle Jahre wieder“, „Es schneit“ oder „Schneeflöckchen, Weißröckchen“. Am 24. Dezember muss sich auch Frau Holle sputen und schüttelt ihre Kissen schon um 11 Uhr am Untermarkt aus.
Bereits die Gebrüder Grimm stellten die Figur als liebenswürdig, Fleiß belohnend und Faulheit verachtend dar. Hier, inmitten des Adventstreibens, kommt ihr die Rolle der Vermittlerin religiöser Bräuche und althergebrachter Traditionen zu. Nostalgisch und andächtig wird es, wenn sie Gedichte vorträgt, die Besucher*innen an den Sinn der Weihnacht erinnert und den Wind als „himmlisches Kind“ anruft. Schließlich schüttelt sie ihre Decken und Kissen aus und lässt es in die Hattinger Altstadt schneien. Biologisch abbaubarer Schnee aus Maisstärke und Schokogoldtaler rieseln auf die Erde. Das Pech, wie in Grimms Märchen, bleibt glücklicherweise aus.
Doch der Hattinger Weihnachtsmarkt hat noch mehr als diesen beliebten Ritus zu bieten, den es schon seit 25 Jahren gibt: Beim Wandeln durch die romantischen Gassen steigt Bummelnden der Geruch von Mandeln, Zimt und Glühwein in die Nase. Links und rechts der Wege durch die 90 festlich erleuchteten Holzhütten entdecken sie die noch teilweise erhaltene Stadtmauer, das geschlossene Fachwerkensemble aus insgesamt 150 Häusern sowie die St. Georgs-Kirche, die bereits aus der Zeit vor der Stadtwerdung im Jahr 1396 stammt.
Chöre singen und Musikgruppen spielen Weihnachtshits. Im Innern können Reisende an Meditationen, offenen Singstunden oder Weihnachtskonzerten teilnehmen. Das Gotteshaus, das unter anderem wegen des mythenumwobenen schiefen Turmes über die Grenzen Hattings hinaus bekannt ist, bittet zu Pilgergängen und Besichtigungen des kleinsten Orgelmuseums der Welt. Auch die eingerichtete Krippe ist sehenswert, die über die Adventstage nach und nach zu ihrer vollen Größe heranwächst.
Rund um die Kirche, im sogenannten St. Georgs Viertel, haben sich zahlreiche Kunsthandwerker*innen, Künstler*innen und Designer*innen mit ihren handgemachten Arbeiten versammelt. Skulpturen reihen sich an Gemälde, Holz- und Stoffarbeiten. Wer das richtige Weihnachtsgeschenk für seine Liebsten noch nicht entdeckt hat, wird hier fündig. Der Markt „Bleu Blanc Rouge“ am Krämersdorf kann schließlich für eine kulinarische Entdeckungsreise nach Frankreich besucht werden. Feinschmecker verkosten hier Käse- und Wurstspezialitäten, Wildschweinschinken, Eselsalami, edle Weine und feine Liköre. Die traditionelle Feuerzangenbowle lässt Wangen erröten und sorgt für einen kulturellen Abschluss der anderen Art. Ob Frau Holle das wohl gutheißt?
Weitere Ausflugstipps zur Weihnachtszeit für Kulturfans in Hattingen
➜ Ruine Burg Isenberg
➜ Burg Blankenstein
➜ Henrichshütte Hattingen mit magischem Lichterpark Lumagica