Film

Filmstart der Woche: „Mond“ von Kurdwin Ayub mit Florentina Holzinger

bis 09.04.2025
7 Veranstaltungsorte
Liste anzeigen
20 Jahre Martial Arts, Wettbewerbe und körperliche Ertüchtigung bis an die Schmerzgrenze liegen hinter ihr. Vor ihrer Zukunft steht ein Fragezeichen. Da wird der Österreicherin Sarah überraschend ein ungewöhnliches Engagement angeboten: in Jordanien.

Zwei Namen repräsentieren „Mond“, bei denen für den bürgerlichen Kunst-Verzehrer die Alarmsignale rot blinken. Produziert wurde der Film der jungen österreichisch-kurdischen Regisseurin Kurdwin Ayub von Ulrich Seidl, der Österreichs Seelenlandschaft durchpflügt und verätzt, Religion, Sexualität und Bigotterie kreuzigt und zwar auf eine Weise, dass man sich schwer tut zu unterscheiden, ob einem das Erzählte oder der Erzähler unangenehmer sind.

Die Hauptdarstellerin Florentina Holzinger wiederum ist berühmt und berüchtigt als Theatermacherin, deren choreografische Inszenierungen für Aufruhr sorgen und Rettungswagen herbeirufen, um Zuschauer einzusammeln, denen schlecht geworden ist. Zum diesjährigen Berliner Theatertreffen ist sie eingeladen mit ihrer Skandalarbeit von Paul Hindemiths Kurzoper „Sancta“, die ihr zur wüsten Tanz-Messe über weibliche Unterdrückung und kirchliche Dominanz gerät. Das Thema Leibeigenschaft, für das sich die Künstlerin gewaltsam Einlass verschafft in Dunkelbezirke des Diesseits, betrifft auch "Mond", den Nachfolgefilm von Ayubs mit diversen Preisen ausgezeichnetem Debüt „Sonne“ (2022). Die Frage, wie Teenager ihren Platz finden und behaupten, beschäftigt beide Geschichten.

In „Mond“ herrscht Untergangsstimmung. Sie brauche einen Business-Plan für ihr Leben, wird Sarah (Holzinger) von ihrer Schwester vorgehalten, die Mutter geworden ist und ein braves Eheleben führt. 20 Jahre Martial Arts, Wettbewerbe und körperliche Ertüchtigung bis an die Schmerzgrenze liegen hinter ihr. Plötzlich tut sich ihr eine Perspektive auf.

Sie soll drei Schwestern als Personal Trainerin fit machen – in Jordanien. Deren Bruder Abdul Al Faradi hat Sarah im 28. Stockwerk eines eleganten Fünf-Sterne-Hotels mit Dach-Pool untergebracht, vor dessen Fenstern sich das Panorama von Amman ausbreitet. Sie wird mit einer Limousine abgeholt und staunt über das palastartige Anwesen der Familie am Stadtrand, wo die Wüste beginnt. Die erste Trainingsstunde mit Schaima, Fatima und Nour hat kaum begonnen, da brechen die Mädchen sie ab.

Scheiternder Ausbruchsversuch

Die Eltern, erzählen sie, seien in Qatar, überhaupt besäßen sie Häuser in jedem Land. Drei Prinzessinnen im goldenen Käfig, isoliert im Luxus und in ihrem Müßiggang. Sie haben Hauslehrer, chillen oder beschäftigen sich mit Mode und ihrem Make-up. WLAN wird ihnen vorenthalten. Es scheint eine Art Harem für höhere Töchter. Sarah empfindet mehr und mehr Irritation über die Vorgänge in dem Haus, das Verhalten der Drei und die Beaufsichtigung durch den Bodyguard. Rigide Verhaltensnormen regulieren den Tagesablauf und die Möglichkeit des Zusammenseins mit Außenstehenden.

Der Thriller, gehärtet an der Realität einer paternalistisch geprägten islamischen Kultur, schleicht uns gewissermaßen leise an, ist direkt, rüde und schmutzig, während die Kamera sich ohne Abstand an die Fersen der Figuren heftet. Sarah sieht Spuren von Gewalt im Gesicht von Fatima, die aber behauptet, es seien Folgen einer Botox-Injektion. Und sie macht die Entdeckung, dass es noch eine vierte Schwester gibt, Aya, die älteste, die unter Verschluss gehalten, in ihrem wüst zugerichteten Zimmer ans Bett gefesselt und mit Schlägen bestraft wird und die sich in einem Akt der Selbstverstümmelung in der Küche  verbrennt und stirbt. Bruder Abdul will Aya als Fall von Schizophrenie darstellen.

Das Kampfsporttraining als Ertüchtigung und Empowerment im physischen Sinn, der aufs Mentale einwirkt, scheint zu fruchten. Die Schwestern planen den Ausbruch. Sarah unterstützt die Flucht aus dem Familien-Gefängnis, jedoch misslingt der Versuch. Sarah kommt davon.

Rettung wird nicht gewährt. Nicht dem Zuschauer als wohliges Gefühl, etwas habe sich zum Besseren gewendet, und besonders der Westeuropäerin Sarah nicht, wie die verbleibenden zwei Szenen und Situationen am Ende zeigen. Was ist los mit der jungen Frau: Abstumpfung, Resignation, Verzweiflung, Schuldgefühl, Selbstrechtfertigung? "Fühlt sich gut an, böse zu sein", singt sie in einem Club und feiert den Kitzel von SM-Ritualen, als sei die Grenze zwischen Einverständnis und übermächtiger Fremdgewalt eine Grauzone. East meets West – und niemand hat einen Nutzen davon. 

Film

Filmstart der Woche: „Mond“ von Kurdwin Ayub mit Florentina Holzinger

bis 09.04.2025
7 Veranstaltungsorte
Liste anzeigen

Mehr Kultur aus NRW mit unserem Newsletter

Kulturkenner patternKulturkenner pattern