
In die hinein hat sich die 1958 in der Lüneburger Heide geborene, in Berlin lebende Sängerin, Interpretin und Autorin verkörpert. Sie, die Heroine der raren Spezies Diseuse in der Tradition von Künstlerinnen wie Blandine Ebinger und Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Hanne Wieder oder Ingrid Caven.
Souverän beglaubigt sie, wovon sie singt, wenn mit ihr der letzte Stern der Müden aufgeht, die Liebe eine Fatalität ist, das Leben sich um seiner selbst feiert und das ‚trotzdem’ sich zum Prinzip setzt, wenn sie Einsamkeit und Herzweh, Leere und Angst aufruft, wie ein antiker Augur die "Großen weißen Vögel" ausdeutet und das vermeintlich Illegale des Fühlens ins Recht setzt. In Friedrich Holländers „Allein in einer großen Stadt“ oder „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ scheint bei ihr hinter jeder Liedzeile, die endet, hinter jeder letzten Silbe, die sie dehnt, ein schwarzer Schleier noch einen Atemzug länger zu wehen. So zelebriert sie die kleinen Lieder, die aus den großen Schmerzen werden.
Drei Begriffe charakterisieren den Dichter des „Dorian Gray“, Oscar Wilde, der 1900 im Pariser Exil starb, nachdem der einst so Gefeierte 1895 in London wegen „Sodomie“ zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt und anschließend als gebrochener Mensch außer Landes gegangen war: Selbsterfindung, Normüberschreitung, Abweichung. Dieser Dreiklang ist ebenso auf Georgette Dee anzuwenden. Sie nimmt die Charakterisierung lachend an.

Von dieser Erfahrung erzählt sie am Beispiel der Studierenden der Münchner Otto Falckenberg-Schule, wo sie seit langem den dritten Schauspiel-Jahrgang in „Liedern und Geschichten“ unterrichtet: „Ich bringe sie ganz dicht zu sich selber. Wenn sie es zulassen, führe ich sie auf kleine Gipfel, aber mit ihnen selbst, nicht auf Ansage. Um was geht es schließlich immer! Um einen Menschen auf der Bühne, der uns eine Geschichte erzählt. Der kann grün oder blau kariert oder fünfgeschlechtlich sein, das ist unwichtig.“

Der Schritt auf die Bühne als der magische Moment der Verwandlung und Vergrößerung und Übertritt in eine andere Wesenheit. Das vollendet zu tun, ist die Kunst – das Artifizielle und das Authentische zu verbinden. Was heißt für Georgette Dee, authentisch zu sein?
Als Lady Wilde sagt sie in "Die Märchen des Oscar Wilde erzählt im Zuchthaus zu Reading" : „Das Leben ist Qual und Hoffnung, Illusion und Verzweiflung zugleich, doch am Ende bleibt nur die Verzweiflung“. Das wäre nicht ihre Schlussfolgerung und Bilanz. „Das ist etwas kassandrisch, auch berührend“, sei ohnehin eine Traumsequenz im Stück und Zitat aus einem Brief der Mutter. Vielleicht ließe sich das noch ändern. Sie wolle darüber reden mit ihrem Regisseur André Kaczmarczyk, den zu begeistert lobt. „Meine Konklusion wäre eher: Illusion. Das ist etwas größer gedacht, das kann jeder für sich zurecht biegen.“
In ihren an die 40 eigenen Bühnenprogrammen seit mehr als 40 Jahren, auf Tourneen, in Konzerten und Auftritten von Berlin bis Köln, von Paris bis Wien sind die Lieder das eine, das andere, was zwischen den Liedern liegt, wenn die Diva in einer einzigen großen Wellenbewegung plaudert, Übergänge durch Umwege schafft, eine Geschichte nach der anderen wie Girlanden aufzieht und mit feinen Nadelstichen durch das Allgemeine und Besondere stichelt. Ihr Geschichten-Erzählen auf der Bühne sei mit der Zeit „gewachsen“.

Gelohnt werde ihr all das mit „Ehrerbietung“, gerade in der Theaterwelt und in der Darstellenden Kunst. Auch darüber hinaus. Verbeugung vor Miss Liberty.