Film

„Mit Liebe und Entschlossenheit“ von Claire Denis

Bei der Berlinale gewann „Mit Liebe und Entschlossenheit” den Silbernen Bären für die beste Regie. In dem Beziehungsdrama der französischen Regisseurin Claire Denis spielen Juliette Binoche, Vincent Lindon und Grégoire Colin die Hauptrollen.

Die Ferien am Meer sind vorüber. Paris hat sie wieder. Die Freiheit im Beieinander und die Leidenschaft füreinander, die Sara und Jean (Juliette Binoche, Vincent Lindon) in dem ihre Körper schwerelos sein lassenden Element des Wassers, diesem Lebenselixier, auskosteten, bleibt auch in ihrer vertrauten heimischen Umgebung ungemindert. Zwei, die sich gern berühren, die wir oft in ihrer nackten Haut sehen. Aber der fest umrissene Raum der Stadt trennt sie auch.

Sara ist Rundfunkjournalistin. Jean hatte eine Karriere als Rugbyspieler, bevor er eine Sportagentur zur Spielervermittlung mit dem Partner François (Grégoire Colin) aufzog, der Saras Lebensgefährte war. Irgendetwas scheint damals schief gelaufen zu sein, jedenfalls war Jean im Gefängnis, und knüpft nun die geschäftliche und freundschaftliche Beziehung zu François wieder an, was Sara äußerlich gutheißt, sie aber im Innersten zutiefst verstört, wegen ihrer eigenen Gefühle für François und der anscheinend starken Bindung der beiden Männer aneinander. Sie erinnert etwas an die fatale Beziehung von Franz Biberkopf und Reinhold in Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“.

Außerdem gibt es noch den halbwüchsigen Sohn Marcus aus Jeans früherer Ehe mit einer Frau aus Martinique, der bei der Großmutter (Bulle Ogier), Jeans Mutter, aufwächst und in seinem jungen Leben wenig Halt findet und dabei ist, seine Zukunft zu vertun. Jean fordert ihn auf, auch gerade angesichts seiner dunklen Hautfarbe und rassistischer Vorurteile, dafür Sorge zu tragen, dass er künftig nicht jemand sein wird, der „den Bossen das Klo putzen muss“.

Aber von der Vergangenheit erfahren wir nur bruchstückhaft im Film von Claire Denis, der auf der Berlinale den Silbernen Bären für die beste Regie gewonnen hat. Er ist der Gegenwart ganz verhaftet. Einer Gegenwart, in der die Menschen Masken tragen, kaum, dass wir begonnen haben, den Zustand des Selbst- und Fremdschutzes während der Corona-Pandemie zu vernachlässigen, wenn nicht zu vergessen. Die Masken geben zu verstehen, dass neben den sichtbaren auch unsichtbare Grenzen zwischen uns und den Anderen existieren.

So sehr die Figuren, besonders Sara und Jean, sich bemühen, ihre Situation im Gespräch zu klären, Nähe zu bewahren, die nur ihre Körper herzustellen vermögen, Konflikte aufzulösen, Krisen zu meistern, sich und ihre Gefühle transparent zu machen: Es gelingt nicht. Der Ort reiner Gefühle ist ein Nicht-Ort, ein Utopia und wenn überhaupt nur bewohnbar von einer Person, nicht von einem Paar. Der Zwischenraum von dem, worüber wir sprechen, und dem, worüber sich nur schweigen lässt, bleibt die trennende Kluft.

„Es gibt Wunden, die heilen nie“, sagt Jean. Sara könnte es auch, könnte es eher sagen. Die Züge des Schmerzes und des Wissens um seine Wiederkehr und der Fassungslosigkeit, die Juliette Binoches Gesicht zeichnen, lassen sie in einem höheren Sinn weniger als Opfer denn als große Leidtragende erscheinen. Sie nimmt das Los an und verweigert sich ihm doch auch zugleich, nicht willens, sich einer Nutzbarmachung zufügen. Sie geht allein in die Nacht, während Jean im Abspann des Films wie in einem Epilog sich mit seinem Marcus versöhnt zu haben scheint – auf dem Feld des Männersports.

Miteinander nicht und ohne einander auch nicht. Welche Alternativen gibt es für eine Liebe, die nicht lösbar zu sein scheint? Claire Denis gibt eine Antwort mit ihrem bevorzugten Darsteller*innen-Trio. „Mit Liebe und Entschlossenheit“ allein ist es nicht getan. So viel Ambivalenz sollten wir aushalten können, nicht nur im Kino.

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