Das Zeitbild dieses Buches ist auch eines der Grimasse. Aber unter der Maske schlägt ein Herz, zumindest unter der von Fabian, der seines Freundes Labude und der ‚seiner’ Freundin Cornelia, die bald seine nicht mehr ist. „Fabian Jakob, 32 Jahre alt, Beruf wechselnd, zur Zeit Reklamefachmann, Schaperstraße 17, herzkrank, Haarfarbe braun.“ So stellt er sich vor. Befragt nach dem, was er tut, antwortet er: „Ich lebe“. Ein Kunststück!
Auch Labude (Albrecht Schuch) hat kein Talent für diese Leibes-, Lebens- und Liebesübung. So sehr nicht, dass er, der reiche Sohn und kluge Student der Literaturwissenschaft, sich umbringt. Auch Fabians Freundin Cornelia (Saskia Rosendahl) nicht, mit der Fabian für Momente eins sein konnte und vergesslich für alles Hässliche, Widerliche und Widrige. Sie trifft eine Entscheidung, von der sie weiß, dass das Glück etwas anderes bedeutet.
Fabian weiß nicht wohin mit sich, weiß mehr, als für ihn gut ist, lebt im „Provisorium“, will anständig sein in einer unanständigen Welt, die er sich aus den Zeitungen in den Cafés zu Gemüte führt, und in der auch die Liebe nicht das Wahre ist, sondern zur Ware, käuflich, verkommt und einen Preis hat, den zu zahlen weh tut. Jemand wie Fabian ist nicht geschaffen für die Welt, wie sie ist. Er schwimmt gegen den Strom. Überhaupt, er kann gar nicht schwimmen. Er geht unter, als er ins Wasser springt, um Lebensretter zu sein. Eine kleine Vergesslichkeit, oder, wer weiß...
Was Kästners Zeit- und Großstadt-, Liebes- und Untergangs-Roman hellsichtig sein ließ für das Berlin des aufkommenden Nazitums, des bürgerlichen Ruins, der europäische Krise, das kann mit einigen Wendungen auch für unsere Gegenwart zum Abbild werden. Babylon Berlin ist – hier, anders als bei Tom Tykwer – keine historische Kulisse.
Deshalb führt zu Anfang von Dominik Grafs dreistündiger Verfilmung auch ein U-Bahn-Weg von hüben nach drüben und markiert die Zeitenwende. Der Zeittunnel öffnet sich: 1931 bis 2021, das ist einen Schnitt voneinander entfernt. Und nicht bloß, weil Graf in seine Szenen schwarzweißes Bildmaterial montiert. Auch, weil Tom Schilling spielt wie ein Grenzgänger zwischen Gestern und Heute.
Sein Fabian hat zwar Augen für die Welt, wie sie ist, aber mehr noch für sich selbst, er bleibt auf sich bezogen, nicht egoistisch, aber neugierig für den, der so heißt wie er. Er betrachtet sich selbst, sogar noch, wenn er küsst und tanzt mit einer wie Irene (Meret Becker), die vielleicht sein guter Geist und Garant für die Zukunft hätte werden können und die trotz ihrer Eigensucht ein ehrliches Gefühl hat für ihn. Wenn es eine Diagnose gibt für Fabians Scheitern im Hier und Jetzt, dann die: dass er sich nicht hat anpassen können an den Realismus der Herzen.
Mehr Infos gibt es hier.