Die Stille hat etwas Bedrückendes. Man könnte sie, wie eine Redensart besagt, mit dem Messer schneiden. Da passt es dann auch, dass plötzlich ein großes Kampfmesser vom Schnürboden herabsaust und in einer Platte auf dem Boden stecken bleibt. Ein deutliches Zeichen der Anspannung, die gleich noch einmal steigt. Zuvor hatte Wolf Gerlachs Einstein die Maske des Wahnsinns fallen lassen und ein Plädoyer für eine Wissenschaft gehalten, die sich in den lukrativen Dienst der Wirtschaft stellt. Nun wartet er auf die Zustimmung von Möbius (Matthias Horn). Doch der schweigt und blickt herausfordernd ins Publikum.

Diese Momente des Schweigens, die gar nicht enden wollen, sind der dramatische Höhepunkt in Jo Fabians radikaler szenischer Überschreibung von Friedrich Dürrenmatts tragischer Komödie „Die Physiker“. Plötzlich ist offensichtlich, was sich schon von Anfang an andeutete. Der Wahnsinn hat Methode, und das gilt eben nicht nur für Möbius und die anderen beiden Physiker, die sich in Fräulein Dr. von Zahnds Irrenhaus verstecken.

Auch Fabians heftiger Flirt mit dem Grotesken und Absurden ist letztlich eine Charade. Das Lachen über die Ticks der Physiker, über Matthias Horns ständiges Zucken und Wolf Gerlachs Sabbern, und die gutmütige Trotteligkeit des von Axel Strothmann gespielten Inspektors, der zu Beginn mit dem Fahrrad über die Bühne fährt, ist zu diesem Zeitpunkt längst verstummt. Nicht einmal die Gewissheit, dass die Morde an den Krankenschwestern nur Schmierentheater waren, hat nichts mehr Beruhigendes.

Hinter den scheinbar harmlosen Spielereien, mit denen er Dürrenmatts Stück immer wieder aufbricht, verbirgt sich die pure Verzweiflung. Und so ist es nicht Möbius, der auf Einsteins Angebot antworten muss, sondern das Publikum. Fabian und sein Ensemble geben die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft direkt an die Zuschauer weiter. Doch die haben auch keine Lösung. Also muss Matthias Horn uns alle mit Möbius’ „Nein“ erlösen. Nur hat dieses „Nein“ längst seine Bedeutung verloren. Der Einzelne mag das Gute wollen, doch er ist längst ein Teil der Kraft, die stets das Böse schafft. (ab 14 Jahren)

„Die Physiker“ im Theater an der Ruhr

„Die Physiker“ im Theater an der Ruhr