Wer Kunst macht, erzählt automatisch von sich. Selbst die distanzierteste Darstellung gibt etwas von dem preis, was ihren Schöpfer ausmacht. Mit dem Selbstbildnis hat der Hang, sich bildnerisch zu offenbaren, sogar eine eigene künstlerische Kategorie gefunden. In die gehört – zumindest im weitesten Sinne – die Gruppenausstellung „A Portrait in Fragments“, die im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen gezeigt wird.
Ein Blick durchs Schlüsselloch, der nie ins Voyeuristische abgleitet, obwohl manche intimen Dinge, die in der Ausstellung zur Sprache kommen, dazu durchaus Anlass geben könnten. Doch selbst vor Monica Majolis „Study for Rubberman“ will sich Sensationslust nicht einstellen, obwohl die US-Künstlerin mit ihrer Zeichnung einer BDMS-Maske alternative Sexpraktiken heraufbeschwört.
Auch die Londoner Künstlerin Patricia L. Boyd, die das Inventar einer gescheiterten Ehe als Bodeninstallation ausbreitet, vermeidet jede Form von Dramatisierung. In ihrem White Cube wird keine schmutzige Wäsche gewaschen. Umzugskartons, Bettlaken, Kissen, Federn, Besteck oder Gläser sind im Raum verteilt – allerlei Siebensachen, die zusammenrafft, wer nach der Trennung vom Lebensgefährten den Abgang vorbereitet. Fragmente einer Beziehung, die in die Brüche gegangen ist: Aus dieser Perspektive erscheint der Ausstellungstitel „A Portrait in Fragments“ in einem besonderen und kennzeichnenden Licht.
Tendenziell fragmentarisch auch die Fotos von Hervé Guibert: Der französische Schriftsteller und Fotograf starb 1991 mit nur 36 an AIDS. Guiberts kleine Fotografien, in denen er beispielsweise seinen Alltag als Autor dokumentiert, kommen mit einer Beiläufigkeit daher, die eigenartig mit seinem tragischen Schicksal kontrastiert.
Erkennbar geht es der Ausstellungsmacherin Kathrin Bentele nicht um Kunst, die einen widerspruchsfreien Lebenslauf inszeniert oder eine Vorzeige-Persönlichkeit hinausposaunt. Vielmehr ist es ihr um die Bruchstücke zu tun, die sich zu einem vielschichtigen Puzzle des Daseins zusammenfügen. Ein Musterbeispiel findet sich in der Ausstellung in Form von Moyra Daveys einstündigem Video „Les Goddesses“. Hierin vermengt die Kanadierin Betrachtungen über Leben und Werk verschiedener Künstlerpersönlichkeiten mit Selbstreflexionen, die sie beim Blick aus dem Fenster ihres New Yorker Apartments anstellt.
Eines der Kabinette hat Dominique Gonzalez-Foerster in ein faszinierendes Bühnenbild der „Farmacias Distantes“ verwandelt. Dabei beruft sich die französische Künstlerin, die an der Kunstakademie Düsseldorf lehrt, auf die gleichnamige Erzählung von Enrique Vila-Matas. Um sich in die Apotheke von Gonzalez-Foerster zu vertiefen, muss man den Text des spanischen Autors jedoch nicht kennen.
Ergiebiger erscheint ein Vergleich mit dem legendären Cover des Beatles-Albums „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“. Wie dort versammelt die Künstlerin historische Persönlichkeiten und Prominenz verschiedener Provenienz zum Stelldichein: An den drei Wänden dieser surrealen Apotheke erkennen wir eine Reihe berühmter Künstler, aber auch bekannte Filmfiguren. Und wir sehen die Künstlerin selbst, die sich mal als Marilyn Monroe, mal als Klaus Kinski ins Bild bringt. „Ich ist ein anderer“ („Je est un autre“), der Satz von Arthur Rimbaud wird gern zitiert, um auszudrücken, dass unsere Persönlichkeit nicht in Stein gemeißelt ist. Dominique Gonzalez-Foerster ist das Motto geradezu auf den Leib geschneidert.