„380-780 nm. Farbe in Architektur und Stadt“, so lautet der Titel der Schau – er verweist auf jenen begrenzten Bereich der elektromagnetischen Strahlung, den unser Auge als „Licht“ erfassen kann. Alles, was diesseits oder jenseits dieses Nanometer-Spektrums liegt, ist unserem Auge nicht zugänglich. Eine Limitierung, die gleichwohl Raum lässt für die nuancierte Wahrnehmung von rund 20 Millionen Farben!
Ein wahrhaft buntes Feld also, das der in Gelsenkirchen ansässige Verein Baukultur Nordrhein-Westfalen beackert. Gezeigt wird die vom Kölner Architekten und Szenografen Martin Sinken kuratierte Farbenlehre in der Halle an der Hansaallee 190 in Düsseldorf. Sinken hat den Stoff in zwei Bereiche gegliedert: einen dokumentarischen Teil – präsentiert werden die Projekte auf frei im Raum hängenden Farbscheiben – und eine Zone, die „Laborformate“ vorstellt. Hier geht es unter anderem um Kriterien für ‚richtige‘ Farbgestaltung, um Farbpsychologie, optische Täuschungen oder klimagerechtes Bauen. Eine Wand der Halle ist Statements von Architekt*innen gewidmet, die sich auf Einladung von Martin Sinken darüber Gedanken gemacht haben, welche Bedeutung Farbe und klimagerechtes Bauen für die Architektur der Zukunft haben mag.
Auch die zeitgenössische bildende Kunst fehlt nicht bei diesem farbenfrohen Spektakel: Horst Gläsker, Krijn de Koning und Gereon Krebber steuerten Arbeiten bei.
Farbe kann als Wohlfühlfaktor der Baukultur eine signifikante Rolle spielen. Das erkannte man beispielsweise in Mailand, wo die Stadtverwaltung farbige Elemente im großen Stil nutzt, um Straßen und Plätze von der grauen Einförmigkeit zu befreien. „Tactical Urbanism“ heißt die Strategie, die beispielsweise aus der Piazza Dergano ein vitales Punktefeld gemacht hat.
Den Fassadenanstrich interpretiert das „Haus der Farbe“ als „Second Layer“. In den Projekten der Zürcher Fachschule für Gestaltung in Handwerk und Architektur legt sich eine farbige Membran spielerisch über die Architektur, verschiebt Proportionen und Maßstäbe. Dass Farbe, wirkungsvoll eingesetzt, das Zünglein an der architektonischen Waage sein kann, davon ist auch Paul Eis überzeugt. Sein Projekt „colourful makeover of architecture“ versteht der in Berlin und Linz lebende Architekt als Mutmacher inmitten monochromer Tristesse. Im Zuge der Ausstellung „380-780 nm“ schildert Eis die Architekturlandschaft in NRW in poppigen Farben.
Allerdings kann Stadtbemalung auch unerwartete und unerwünschte Folgen haben. Die Ausstellung vergegenwärtigt dies mit einem Exkurs in das Stadtviertel BoKaap in Kapstadt: Einst ein Arme-Leute-Viertel, haben die Bewohner*innen mit dem fröhlich-bunten Anstrich ihrer Häuser ungewollt einen unseligen Prozess in Gang gesetzt: Bokaap ist zum Tourismus-Magneten geworden, und die Immobilienpreise stiegen um das Hundertfache.
Mehr als nur ein Anhängsel zur Ausstellung ist die Foto-Plattform „lokalkolor.de“. Im Internet hat jeder die Möglichkeit, Fotos von Fassaden seiner Heimatstadt hochzuladen, Beispiele farbiger Häuserwände, die ihm positiv oder negativ aufgefallen sind. Die online eingereichten Fotos werden in Echtzeit mit einem Monitor in der Schau synchronisiert. Mit einem „Daumen hoch“- beziehungsweise „Daumen runter“-Icon können die Besucher ihr Votum abgeben.