Gabriel Rodriguez Silvero: „Alles fließt ineinander“

Bühne
Lange hat Dr. Gabriel Rodríguez Silvero über eine Karriere in der Wissenschaft nachgedacht, doch schließlich hat es ihn doch zurück ans Theater gezogen, wo er als Dramaturg tätig ist. Doch mit dem Theater verbindet ihn nicht nur die wissenschaftliche Arbeit. 1980 in Köln geboren, blickt er schon jetzt auf eine facettenreiche Beziehung mit dem Theater zurück und war als Schauspieler unter anderem am Stadttheater Dortmund, am Thalia Theater und Schauspielhaus Hamburg zu sehen. Doch groß geworden ist er nicht hier, sondern im Herzen Südamerikas: In Paraguay machte er sein erstes Abitur. Ihm ist wichtig zu betonen, dass diese Zeit nicht nur ihn, sondern auch seinen Blick auf das Theater stark geprägt hat. Ein Theater, das Genregrenzen überwindet. Wir haben mit ihm über Grenzen und Möglichkeiten der zeitgenössischen Bühnenkunst gesprochen.
Inwiefern ist Ihre Arbeit am Theater von Ihrer Paraguayischen Herkunft beeinflusst?
G.R.:
Das ist mir immer wieder wichtig zu erwähnen: Es macht was mit jedem Menschen, wenn man nicht in Deutschland aufwächst. Bis heute habe ich manchmal Ausdrucksschwierigkeiten, das will ich auch nicht verbergen. Es ist für mich immer noch eine Herausforderung, in Deutschland meinen Platz zu finden. Dafür bin ich viel zu anders aufgewachsen und das durchdringt natürlich auch meine Interessen in meiner Arbeit.
Welche Interessen sind das?
G.R.:
Alles, was hybrid und medienübergreifend ist, ist mein Steckenpferd: eine Nische, in die kaum jemand guckt. Ich habe acht Jahre lang eine Filmreihe kuratiert, in der es um Film und Theater geht. Meine Doktorarbeit habe ich über den Einfluss der französischen Oper auf den Lateinamerikanischen Film geschrieben. Dort entdeckt man immer Neues – genau an der Stelle, wo sich zwei oder drei oder vier Künste überschneiden.
In genau diese Kerbe schlug auch die Leseperformance-Reihe TXT@night, die sie in der vergangenen Spielzeit am Theater Duisburg initiiert haben. Wie kam die Idee zustande?
G.R.:
Ich wollte eine Reihe anbieten, bei der sich sowohl Autor*innen als auch Performer*innen angesprochen fühlen, mitzumachen. Egal welche Art von Kunst Künstler*innen verfolgen – alle greifen früher oder später zu Papier und Stift, um etwas niederzuschreiben. In dem Moment sind die Künstler*innen schon in der Lage, bei TXT@night mitzumachen, sofern sie sich auch trauen zu performen. Ein Beispiel dafür ist Katja Brunner: Sie ist Autorin, hat sich aber noch nie davor gescheut, auch auf die Bühne zu gehen. Ihre Texte sind ein gutes Beispiel für diese Hybridität: Wenn man sie liest, gerät man in einen Strom. Sie versetzt sich dafür in ungewöhnliche Figuren, in Tiere, Götter, Hexen, Fabelwesen.
Wird das hybride Format im Theater immer wichtiger?
G.R.:
Unterschiedlichste Künste und Kunstformen fließen in jeden theatralen Abend und in jedes Stück, trotzdem gibt es eine ganz konkrete Definition von dem, was Sprechtheater ist. Genauso, wie man mittlerweile ganz konkret sagen kann, was Oper ist. Es mussten aber erst Jahrhunderte vergehen, bis man sich den Namen „Oper“ ausgedacht hat, um das Gesamtkunstwerk zu benennen. Die Oper wurde dann wiederum vom Film abgeschüttelt. Will sagen: Es kommt immer etwas Neues dazu.
Welche Rolle spielt dabei das Internet?
G.R.:
Bald haben wir das, was KI und Open AI uns vormachen: nochmal eine andere Form von Kunst und Medienkunst. Alles ist hybrid, alles fließt ineinander. Wie soll man eine Kunst von der anderen unterscheiden, wenn sie alle auf die gleichen Mittel zurückgreifen? Wir leben in einer hybriden Welt, die wir alle – etwa durch unsere digitalen Aktivitäten – mitgestalten.
Bei der Leseperformance »Aldi Biathlon Cäsar« wanderten Katja Brunners markante Texte wabernd durch Nebelschwaden und den sphärischen Sound der Musikerin Magda Drozd. Es entsand ein wort- und klanggewaltiger Sog zwischen Poesie und Performance, der das Publikum in fantasievolle Welten zog.
Autorin
Simone Saftig

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