Es kommt nicht oft vor, dass in der allgemeinen Wahrnehmung mit einer Rolle zwei Gesichter verbunden werden. Bei John Kanders und Fred Ebbs Musical „Cabaret“ ist das so. Man denkt an Liza Minnelli, die durch Bob Fosses Musical-Verfilmung 1972 weltbekannt wurde. Und an: Ute Lemper.

Die 1963 in Münster geborene Ute Lemper wurde zur zweiten Sally Bowles aus dem „KitKatClub“ des Berlins der Weimarer Republik, in dessen Kulissen sich bereits der aufziehende Nationalsozialismus spiegelt. Inszeniert von Jérôme Savary, kam die Aufführung in Paris und in Düsseldorf heraus. So wurde „La Lemper“ via Frankreich zum europäischen Star. 1987 hat man sie im Pariser Théâtre Mogador für ihr ingeniöses und gewitztes Cabaret-Girl umjubelt, hat sie zur Entdeckung des Jahres gekürt, als Nachwuchskünstlerin mit einem „Molière“-Theaterpreis ausgezeichnet und gefeiert als neue „Marlene“.

Das Bühnen-Leben vor „Cabaret“? Als Teenager gastierte Ute Lemper in Jazz- und Piano Bars, bevor sie nach dem Abitur das Wiener Max-Reinhardt-Seminar besuchte. Als 20-Jährige bekam sie einen Part im Musical „Cats“, das Peter Weck am Theater an der Wien inszenierte und 300 Aufführungen lang miaute. Danach erhielt sie das Engagement für die Titelrolle im Musical „Peter Pan“ im Theater des Westens Berlin. Als sie danach in Stuttgart Savary traf, war der Weg bereitet.

Einige Jahre nach „Cabaret“ spielte sie, wie einst Marlene Dietrich, die Lola im „Blauen Engel“. Unter Peter Zadeks Regie, wiederum in Berlin, wurde das Stück ein Riesen-Flop und Ute Lemper mit Häme überschüttet. Auf einmal beruhte ihr Talent angeblich nur auf ihren Beinen, die übrigens Helmut Newton fotografiert hat. Lemper kehrte Deutschland den Rücken – das hatte Tradition, auch hierin folgte sie Marlene Dietrich und Hildegard Knef.

Mondän, artifiziell und nicht willens, sich einordnen zu lassen, wuchs sie, die sich einen „singenden Theatermenschen“ nennt, über den deutschen Showmarkt hinaus. Sie kultivierte ihr Vierziger-Jahre-Gesicht im Veronica-Lake-Stil, mit klaren Linien, hoch gezogenen Augenbrauen, undurchdringlich wie eine Maske. So eroberte sie sich den Broadway. „If you can make it there, you can make it everywhere“ – Wer es in New York schafft, muss sich nichts mehr sagen lassen. Als Velma Kelly im Musical-Klassiker „Chicago“ bewies sie ihr Format. Manhattan ist längst ihr Wohnort, wo sie mit ihrem zweiten Ehemann Todd Turkisher und ihren drei Kindern lebt.

Ute Lempers bisherige Bilanz summiert sich auf zahlreiche internationale Konzertprogramme und Tourneen, über 20 Alben, mehr als ein Dutzend Filme, mit Norman Jewison, Pierre Granier-Deferre, Peter Greenaway, Dominik Graf oder Robert Altman, der ihr einen spektakulären Auftritt als nackte, hochschwangere Braut auf dem Laufsteg verschaffte. Der große Choreograf Maurice Béjart kreierte für sie 1990 das Ballett „La Mort Subite“.

Musikalisch hat Ute Lemper ihr Repertoire enorm erweitert. Mal klingt ihre Stimme metallisch klirrend und hart geschliffen, dann wieder jazzig rau und schmeichelnd warm. So ist alles möglich: Chansons der Piaf und von Prévert, Friedrich Holländer und Kurt Weill, Stephen Sondheim oder Hanns Eisler, genauso wie Kompositionen von Michael Nyman (mit Vertonungen von Paul Celan) oder Songs, die Tom Waits, Nick Cave, Elvis Costello und Philip Glass für sie geschrieben haben. Musikalisch hält sich La Lemper eben gern „between yesterday and tomorrow” auf, wie eine ihrer CDs heißt.