Der Bruch mit Erwartungshaltungen auf allen Ebenen ist Programm des Künstlerduos Heike Mutter und Ulrich Genth: Als einer der Höhepunkte des Kulturhauptstadtjahrs 2010 geplant, zog sich die Eröffnung auf dem „Magic Mountain“ bis Ende 2011 hin. Anstatt auf einer ruhrromantischen Kohle-Halde bewegt man sich – getrennt durch gründliche Abdichtung – über einer Sondermülldeponie aus Zinkschlacke. Auch die Erwartung, sich dem Höhepunkt des Loopings nähern zu können, wird bei Begehen jäh durch ein Metallgitter begrenzt. Doch gerade in diesen Irritationen liegt der Reiz der Landmarke, die schon vor der Errichtung durch ein weitverbreitetes Modellfoto in den Köpfen der Menschen verankert war, und die jetzt in ihrer in 90 Tonnen Stahl gegossenen Form fast etwas klein geraten wirkt. Sinnbild der Paradoxien einer Region im Umbruch? Feuerverzinkte Befragung der Möglichkeiten eines zeitgemäßen Denkmals? Das autonome Kunstwerk bleibt definitive Antworten schuldig.
Der Besucherstrom den spiralförmigen Weg hoch zur Außenraumskulptur ist auf jeden Fall erfreulich: Im ersten halben Jahr wurden bereits 100 000 Besucher gezählt. Schon wirkt der Bau aus Stahl und Zink als gefragte Kulisse für Werbespots für die Deutsche Handwerkskammer, eine französische Modefirma oder einen finnischen Finanzdienstleister.
Ganz unterschiedliche Blicke bilden sich je nach Standort und Sichtrichtung vom Treppenband hinunter auf Hochöfen und Kühltürme, Grünflächen, Stadtteile und den nahen Rhein. Eine Landmarke auch als Aufmerksamkeitsschule und als Kunstwerk, das nicht nur betrachtet, sondern auch als körperliche Erfahrung erklommen werden darf. Das Thema von scheinbar zwecklosen Treppen, die ohne Ziel in den Raum führen, erinnert an die Arbeit „Revolutions“ von Michael de Broin, der ein unendliches Treppenband in Montreal auf Säulen in die Luft gehoben hat oder auch an Olafur Eliassons „Umschreibung“, eine begehbar-verformte Treppenspirale in einem Münchener Innenhof.
Besonders eindrucksvoll wirkt Tiger & Turtle in der Nacht, wenn auch die Handläufe der Treppen ein leuchtendes Band in den dunklen Ruhrgebietshimmel zeichnen. Dank automatischer Zugangstechnik lässt sich die Skulptur inzwischen durchgehend 24 Stunden am Tag und in der Nacht besteigen – nur bei starkem Wind nicht.