Street Art Interview mit Shyeone aus Dortmund

KunstGraffiti
Der Graffiti Künstler Shyeone ist seit dem Beginn des Graffitis in der Szene aktiv. Als Mitte der 80er Dortmund zu einer Hochburg der Graffiti Kunst wurde, war er mittendrin. Wie so viele andere hat er im Lauf der Jahrzehnte seine Ausdrucksformen erweitert und malt heute nicht mehr nur klassisches Graffiti.
Wie würdest du deine künstlerische Arbeit beschreiben? Seit wann arbeitest du in dem Feld?
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Ich bin eigentlich ein reiner Style-Maler, der sich auch den anderen Elementen der Graffiti/Streetart-Kunst geöffnet hat. Graffiti male ich seit 1986 und erst in den letzten 6 bis 7 Jahren ist die Streetart-Schiene dazu gekommen. Ich liebe es verschiedene Kunst-Richtungen miteinander zu verbinden. Gerade das macht für mich den Reiz aus.
Woher bekommst du Deine Inspiration, deine Ideen?
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Ich laufe einfach mit offenen Augen durch die Gegend und nehme meine Umwelt, die Scene und die Medien bewusst wahr. Die meisten Ideen kommen spontan, dann notiere ich sie mir und irgendwann versuche ich diese umzusetzen. Manche sofort, andere warten schon seit Jahren darauf.
Wie wird Street Art in deiner Stadt wahrgenommen? Gibt es einen Wandel hin zu mehr Akzeptanz?
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Graffiti geht in Dortmund immer, nur die reine Streetart (Poster kleistern, Sticker und Fliesen kleben,...) bleibt immer noch etwas auf der Strecke. Es gibt nur einen kleinen harten Kern. Hin und wieder kommt jemand Neues dazu, aber der ist meistens auch relativ schnell  wieder verschwunden. Ich hoffe das ändert sich bald. Ein paar junge Künstler haben großes Potenzial. Die Akzeptanz ist, seit Banksy, auf jeden Fall gegeben. Leider habe ich im Moment das Gefühl, die Streetart verkommt weltweit zu einem Hipster-Ding. Sie wird ein bisschen von denen missbraucht, die ein wenig verrückt und trendy sein wollen. Ich hoffe, sie wird nicht zu sehr ausgelutscht.
Ist Street Art ein Indikator für „Urban Change“ - in welche Richtung auch immer (Freiräume, zu wenig öffentliche Orte für junge Kunst)?
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Ich denke, dass sie ein Indikator ist. Sie macht, auf jeden Fall unsere Innenstädte bunter. er mit offenen Augen durch die Straßen läuft, kann viel entdecken, womit sich auch der Otto-Normalverbraucher identifizieren kann. Es muss definitiv mehr Freiräume geben, aber nicht nur für die Streetartler, sondern für die gesamte Graffiti-Scene. In Dortmund gibt es einfach zu wenig legale Flächen. Die Stadt hat dieses Thema noch nicht erkannt und reagiert kaum oder gar nicht auf Anfragen, die in diese Richtung gehen. Sie hat das Potenzial, was in dieser Kunstform steckt, noch nicht erkannt. Die meisten Flächen sind selbst organisierte Privat-Wände.
Wie beurteilst du das Protestpotential oder die mehr und mehr politischen Ansätze in der Street Art?
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Am Anfang der Bewegung gab es das ein oder andere neue Protestmaterial. Es war was Neues, Spannendes und provokativ Aufregendes. Viele Soldatenmotive die eine Friedensbotschaft vermitteln sollten, veränderte Che Guevaras, ...die Konsumgesellschaft wurde angeprangert. Aber im Laufe der Jahre ist vieles bis zum Erbrechen ausgelutscht worden. Ich kann leider keine Kleine Mädchen-Stencils, die, sich zu was auch immer verändernden Seifenblasen (Friedenstauben, Schmetterlinge,...) ausblasen, mehr sehen. Es gibt zeitweise immer noch echt gute politische Sachen, aber das Meiste ist leider nur „auf Teufel komm raus“. Ich glaube das ist nicht nötig, ein Stencil oder gemaltes Motiv muss sein gegenüber einfach nur ansprechen und wenn es dann noch berührt oder nachdenklich macht, perfekt.
Wie bist du vernetzt mit Kollegen aus der Szene in anderen Städten? Wie geschieht das? Wo begegnet man sich?
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Das Meiste läuft einfach übers Internet, die typischen „Writer-Corner“, wie vor 15-20 Jahren gibt es nicht mehr, man schreibt sich, trifft sich, geht zusammen Malen, Kleben... oder tauscht einfach nur Material (Sticker,..) aus.
Welches ist aus deiner Sicht derzeit die blühendste Stadt für die Street Art?
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In Deutschland stehen im Streetartbereich zwei Städte ganz oben: Berlin und Hamburg. Eines Tages vielleicht auch Dortmund oder einfach der Ruhrpott.
Wohin steuert die Street Art und das Graffiti aus deiner Sicht gerade? Was sind die neuen Stile und Trends?
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Die Streetart wird es, genauso wie Graffiti, immer geben. Sie muss nur den Ausverkauf relativ gut überstehen. Seit dem die Werbung diese Kunstform für sich entdeckt hat, wird sie ausgesaugt. Es wird bestimmt wieder stiller um sie werden, aber dann wird sie sich neu erfinden und noch präsenter sein als vorher. Die neuen Stile und Trends? Die Installationen im urbanen Raum nehmen zu, die Motive werden immer gezielter geklebt bzw. gesprüht. Sie passen immer mehr zu der Umgebung. Sie nehmen meist Bezug auf eine bestimmte Stelle, Gebäude oder besitzen ein humorvolles Motto. Das Foto vom Endprodukt ist mittlerweile genauso wichtig. Aber lassen wir uns doch einfach überraschen, was noch alles passiert. Ich freue mich auf jeden Fall darauf.
Interview
Christian Caravante

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