Im Porträt: Rottstr5Theater

BühneBochum
Zu Beginn der 2010er Jahre etablierte sich das Rottstr5Theater in Bochum in beispielloser Geschwindigkeit als eines der meistbeachteten freien Theater in NRW.

2009 plante der Regisseur Martin Fendrich eine Inszenierung von Anton Tschechows „Drei Schwestern“. Bei der Suche nach einem geeigneten Ort stieß er im Hof an der Rottstraße 5 auf das Tonnengewölbe unter einer Eisenbahnbrücke. Die Inszenierung wurde begeistert aufgenommen und gemeinsam mit Schauspieler und Regisseur Arne Nobel sowie Regisseur Hans Dreher wurde der Plan entwickelt, den außerordentlichen Raum dauerhaft zu bespielen.

Die Nachteile des Ortes wurden dabei schnell zum Markenzeichen. Regelmäßig ist die S-Bahn zu hören, wenn sie über die Brücke fährt, Platz ist nur für rund 50 Zuschauer*innen. Eine Bühne fehlt genauso wie technische Ausstattung oder die Möglichkeit unterschiedlicher Auf- und Abgänge. Ab 2009 gelang es den Regisseuren – insbesondere Arne Nobel – aus all diesen Unzulänglichkeiten einen eigenen Stil zu entwickeln, der die brutale Nähe zum Publikum betonte und ein raues, unmittelbares Spiel verlangte. Texte und Schauspieler*innen standen dabei erklärtermaßen immer im Mittelpunkt. Auch das ein Alleinstellungsmerkmal in einer Zeit, in der das freie Theater sich sonst vorrangig um Performance und Postdramatik kümmerte. Zudem wurde die Anfangszeit von zelebriertem Größenwahn geprägt: Gleich zu Beginn versuchte Arne Nobel den Odysseus-Mythos in einen dreiteiligen Zyklus zu bannen. In der Folge wurde ein zehnteiliger Nibelungen-Zyklus umgesetzt.

Mediale Aufmerksamkeit erregten aber nicht nur die Inszenierungen – inklusive mehrerer Nennungen in den wichtigen Kritikerumfragen und einer Einladung zum NRW Theatertreffen –, sondern genauso auch aufsehende Aktionen: So bewarb sich das Rottstr5Theater 2011 um die Regie des „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth und ebenfalls medienwirksam 2012 um die Übernahme des Düsseldorfer Schauspielhauses, nachdem Intendant Valdemar Staffan Holm seinen Rücktritt erklärt hatte.

In dieser Anfangszeit profitierte das Rottstr5Theater vor allem von ausgezeichneten Schauspieler*innen, die meist aus Idealismus auf der Bühne standen und die Möglichkeit nutzten sich auszuprobieren. Darunter waren viele, die nach dem Ende der Intendanz von Elmar Goerden am Schauspielhaus Bochum zunächst ohne Engagement waren.

Die ersten Jahre festigten schnell einen fast mythologisch aufgeladenen Ruf des Theaters. 2011 verließ Arne Nobel das Haus, Martin Fendrich war schon kurz nach der Gründung gegangen, Hans Dreher wechselte 2019 ans Prinzregenttheater. In der Folge veränderte sich der Spielplan. Für die Studierenden der Theatersparte der Folkwang Universität wurde das Rottstr5Theater zur wichtigen Anlaufstelle für erste Inszenierungen und freie Gruppen an dem Ruhrgebiet gaben Gastspiele.

2010 inszenierte Oliver Paolo Thomas am Rottstr5Theater „Fight Club“ nach Chuck Palahniuk und Jim Uhls, das sich zum ausverkauften Dauerbrenner entwickelte, 2020 sein zehnjähriges Jubiläum feierte und auch darüber hinaus am ehesten noch den exzessiven und manchmal rabiaten Geist der Gründungsjahre des Theaters erahnen lässt.

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