Mit seinen Lichtinstallationen greift der 1959 Geborene unmittelbar ins öffentliche und soziale Leben ein. Manchmal benutzt er auch Discokugeln oder reflektierende Stoffe, öfters Film und Fotografie. Wichtige Grundlagen seiner Kunst aber sind neben dem technischen Equipment auch die immateriellen Qualitäten des Lichts. Es ist ästhetische Sensation und Symbol für Erleuchtung, Erkenntnis, Aufklärung. Seine besondere Intensität nämlich entfaltet das Lichtwerk an den Schnittstellen von öffentlichem Raum und öffentlichem Handeln.
1984 hatte Kuball begonnen, an raumbezogenen Projekten zu arbeiten und mit verschiedenen Techniken zu experimentieren, wobei die Lebenswelt immer schon wesentlicher Teil des künstlerischen Konzepts war. Neben der Geschichte und der Kunstgeschichte eines Ortes, neben Architektur und Städtebau, spielt der einzelne Mensch, seine Wahrnehmung und Bewegungen, aber auch die Gesellschaft eine zentrale Rolle für Kuballs Kunst. „Ich will den öffentlichen Raum nicht der Ökonomisierung preisgeben“, sagt Mischa Kuball.
Von Beginn an sind es die widerständigen Formen der Kunstausübung, die Kuball reizen. Denn der Künstler versteht sich auch als Seismograf für das gesellschaftspolitische Empfinden einer bestimmten Epoche. Künstler wie Michael Asher und Daniel Buren hatten in den 1960er Jahren die „institutional critic“ zu einer ersten Blüte gebracht. Und sie prägten die Entscheidung des jungen Kuball, nicht in erster Linie Kunst fürs Museum machen zu wollen, sondern sich den öffentlichen Raum zu erobern.
Eines der großen temporären partizipatorischen Werke Kuballs war „Megazeichen“ am 23 Stockwerke hohen Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf (1990). Dessen unscheinbare Fassade aus Fensterquadraten rhythmisierte Kuball sechs Wochen lang nachts durch waagerechte und senkrechte Licht-Bänder. Möglich war das durch eine ganz einfache Intervention: Kuball ließ in ausgewählten Büros und Fluren einfach das Licht brennen. Die Mitarbeiter der Firma nahmen an diesem abstrakten Werk teil, dessen ganze Strahlkraft erst am Ende überhaupt sinnfällig wurde. Sie, die dort arbeiteten, ließen das Kunstwerk überhaupt erst entstehen.
War es schwer, die Menschen bei diesem Experiment zum Mitmachen zu bewegen? „Überhaupt nicht. Die anfänglich eher gleichgültige Zustimmung“, so der Künstler, „hat sich allmählich in Begeisterung gewandelt. Plötzlich hatte die Arbeitsstelle für die Mitarbeiter eine neue Qualität gewonnen. Die Menschen drehten sich noch einmal um, wenn sie abends nach Hause gingen. Zu dumm, dass Mannesmann damals gerade das Werk in Rheinhausen stilllegte und viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren.“
Kuball, der seit 2007 Professor für Holografie und Lichtkunst an der Kunsthochschule für Medien in Köln ist, beantwortet gerne Fragen zu seiner Arbeit, denn er weiß, dass es manchmal Gesprächsbedarf gibt. Einige Werke (wie etwa der Bauhaus-Block, Dessau 1992) beziehen sich eher auf ästhetische Qualitäten, auf eine sichtbare Historie bestimmter Traditionen, die in Licht aufgelöst, paraphrasiert, wiederholt und analysiert wird. Andere auf Immaterielles, auf kollektive und persönliche Erfahrungen, Erinnerungen, Narrative. Mischa Kuball als Person aber taucht in den Arbeiten höchstens als Ansprechpartner im Off auf, als Katalysator. Seine Beteiligung sind die kreativen Strategien, sind künstlerische Technik und Empathie.
Bei der Sao Paolo-Biennale 1998 waren es Favela-Bewohner, die eine alte gegen eine neue Lampe tauschten (Private Light/ Public Light). 2010 sind es Bewohner des Ruhrgebiets, die im Tausch für eine Lampe die Geschichte ihrer Migration und des Ankommens in der Ruhrgebietsgesellschaft erzählen (New Pott / 100 Lichter / 100 Gesichter ). Diese Arbeiten, die den Menschen ein Bild und eine Stimme geben und so die Grenze zwischen Kunst und Leben perforieren, entstehen aus dem Impuls, „die Kunst in den Alltag zurück zu integrieren. Denn mir geht es immer auch um Diskursoberflächen“.
Oftmals sind es Anwohner, die direkt und über einen längeren Zeitraum der Lichtkunst ausgesetzt sind. Die direkten Nachbarn der Synagoge Stommeln in Pulheim etwa, die sich mit ihrer Zustimmung für die Kunst stark gemacht hatten, waren nicht nur dem gleißenden Licht, mit dem der Künstler die Synagoge von innen strahlen ließ („Refraction House“, 1994), ausgesetzt, sondern auch den Befürchtungen, mit dieser Illumination den Ort zum ausgezeichneten Ziel von antisemitischem Vandalismus zu machen. Aber „die Menschen haben mit ihrem Mut den Nazis Paroli geboten. Der magische Ring der Menschen war ein Schutzschild.“