Elina Penner – „Migrantenmutti“
Die These ihres Sachbuchs „Migrantenmutti“ nennt Elina Penner (hier geht's zu unserem Interview mit ihr) praktischerweise gleich im Klappentext: „Ich finde, ein bestimmter Teil nicht-migrantischer Eltern macht es sich unnötig schwer.“ Ausgehend von der Generation „Instamom“ reflektiert die Autorin ihr eigenes Muttersein als mennonitisch-plautdietische Deutsche – jedoch ohne dabei zu persönlich zu bleiben und damit Identifikationspotenzial zu verschenken. Im Gegenteil: Ihre rasante, oft wütende, konsequent witzige Tirade bietet „Migra-Muttis“ gleichermaßen Resonanzraum, wie sie reichen weißen Westdeutschen den Spiegel ihrer Privilegien vorhält.
Indem sie ihr eigenes Familienleben plastisch nachzeichnet, macht Penner Vorurteile und Klassenunterschiede deutlich: Es geht um die Superpower von „Kusengs“, Kinder mit „Fußballerhaaren“ und Klogespräche mit Rappern genauso wie generationsübergreifende Traumata von geflüchteten Menschen. Wer das Wort „Essensscham“ noch nie gehört hat, sollte dieses Buch lesen. Und wer es leider zu gut kennt, sollte es erst recht tun.
Elina Penner wohnt mit ihrer Familie nach Stationen in Bayern, Berlin und der USA wieder in ihrer ostwestfälischen Heimat. „Migrantenmutti“ ist beim Aufbau Verlag erschienen und hat 208 Seiten.
Ronja von Rönne – „Trotz“
Schonmal ein Trotztagebuch geführt? Nein? Dann wird es höchste Zeit – zumindest findet das Ronja von Rönne, die in ihrem kurzweiligen Essay den Trotz aus der pubertären „Schmuddelecke“ befreit. In ihrem bildreichen und leicht zugänglichen Essay befragt die Autorin Facetten des Trotzes, indem sie das Gefühl (oder besser: die Einstellung) mit sowohl persönlichen Erfahrungen als auch historischen Ereignissen und religiösen Glaubenssätzen verknüpft.
Den Rahmen bildet die Geschichte ihres an Diabetes erkrankten besten Freundes, dem aufgrund seiner trotzigen Medikamentenverweigerung ein Bein amputiert werden muss. Dazwischen tummeln sich viele „Trotzköpfe“, die das Für und Wider, die produktive sowie destruktive Kraft des Trotzes illustrieren. So stellt sie etwa Evas Biss in den Apfel oder Rosa Parks widerständiges Sitzenbleiben im Bus der „Trotzpartei“ AfD gegenüber.
Und auch von Rönne selbst gehört zu den Trotzigen: Gewohnt humoristisch und gleichzeitig zart erzählt sie von wilden Porschefahrten, komplizierter Liebe und dem Weiterschreiben – diverser Shitstorms zum Trotz. Eine Ode an ein ambivalentes Gefühl mit Tiefe, Charme und Witz.
Der Essay ist bei dtv erschienen und hat 112 Seiten.
Gabrielle Zevin – „Morgen, morgen und wieder morgen“
Ein kreativer Roman über eine kreative Branche: In „Morgen, morgen und wieder morgen“ erzählt Gabrielle Zevin von zwei jungen Menschen im Kampf für ihre Leidenschaft.
Als Kinder lernen sich Sam und Sadie im Krankenhaus kennen. Nur die kleine Sadie kann den kranken Sam aufmuntern – Sadie und Mariokart. Die Liebe zum Gaming wird zur Essenz ihrer Freundschaft: Als sie sich Jahre später als Informatiker und Game-Designerin in Massachusetts zufällig wiedertreffen, beschließen sie, gemeinsam Computerspiele zu entwickeln.
Doch trotz des schnellen Erfolgs trifft ihr Unternehmen „Unfair Games“ immer wieder auf Widerstände: Nicht nur das Patriarchat der 90er Jahre, verhöhnte Ideen und gefloppte Spiele tragen dazu bei. Auch ihre Freundschaft ist vor der rasanten Szene nicht gefeit.
Zevin erzählt diese fantasievolle Branche selbst fantasie- und liebevoll. Bildliche Beschreibung von ausgefuchsten Videospielen ziehen einen ebenso in den Bann wie die Berg-und-Talfahrt dieser außergewöhnlichen Freundschaft. Ein Roman, der auch (oder gerade) Videospielmuffel in ein originelles und maximal kreatives Universum einlädt und der Gamingszene ihr „nerdiges“ Image abwischt.
Die deutsche Ausgabe des Romans ist im Eichborn Verlag erschienen und hat 560 Seiten.