POSITIV DAGEGEN hieß das erste Kabarettprogramm, das Kay und Lore Lorentz 1947 gemeinsam herausbrachten. Das "Kom(m)ödchen", das im Laufe der Jahre sein zweites "m" an eine Leerstelle verlor, ist damit älter als die Bundesrepublik, zu der es – ebenso wie zu seiner Heimatadresse Düsseldorf – als Institution unverbrüchlich gehört. Bis heute, wo Lorentz-Sohn Kay Jun. das Haus am Grabbeplatz lenkt.

Der Zufall führte die aus Mährisch-Ostrau stammende Studentin der Philologie und den Studenten des Arabischen nach Düsseldorf. Dabei hätte Lore Lorentz nach dem Krieg eigentlich nach Amerika auswandern wollen. Dann aber beschlossen beide, Deutschland doch nicht aufzugeben: "aus Trotz" und wegen ihrer "Hoffnung". Beide Eigenschaften blieben prägend.

Zunächst saß Lore, bevor eine engagierte Künstlerin ausfiel und sie folgenreich einsprang, an der Kasse, als "Die Kleine Literaten-, Maler- und Schauspielerbühne" ihren Betrieb aufnahm. In Tauschaktionen hatte man sich – gegen die Währung: Zigaretten – Ziegelsteine, Vorhangstoff, Lampen und auch eine alte Kommode organisiert.

Die zwei Autodidakten sprangen ins kalte Wasser und lernten schwimmen. Bevorzugter Stil: die Freiübung. Kay schrieb die Texte, komponierte die Programme, ging auf Entdeckungstour und wurde fündig. Die Liste der Kabarettisten, deren Karriere im Kom(m)ödchen mit auf den Weg gebracht wurde, liest sich beeindruckend: Jochen Busse, Thomas Freitag, Volker Pispers oder etwa Harald Schmidt mögen als Namen genügen.

Lore, die "Öffentliche Meinung", die Freibeuterin, "Barrikadenjule", Mutter Courage und Grande Dame, trug vor und steuerte Ideen und Improvisationen bei. Er stand im Schatten, sie im Licht, auch in dem der Fernsehkameras, die sich zu den Premieren aufbauten und sogar mal abschalteten, nachdem den Sende-Herren der Stoff zu brisant geworden war. Denn in den 50er und 60er Jahren ließ man hier durchaus Köpfe der Bonner Republik rollen. Indes, Lore, Kay und Co. waren "positiv dagegen".

Schon 1949 erfolgte die erste Auslandsreise: nach Zürich. Dort, wo Dada geboren worden war. Bald ging es nach London, in die Niederlande und die USA. Der Zeigefinger war nicht das Organ, mit dem diese "Kom(m)ödianten" operierten. Ihre Methode war zu geschliffen fürs Plumpe. Man formulierte, plauderte, polemisierte und parodierte feingeistig, florettscharf, charmant, elegant – auch mondän.

Es wurde schick, ins Haus in der Altstadt zu gehen. Der Kampf gegen Dummheit und Stumpfheit aber blieb das Anliegen, wenngleich mit dem Gestus des Bildungsbürgerlichen. Die Wut des Lorentz-Paars, ihrer Autoren, ihrer Partner, ihres Ensembles – darunter Hanns-Dieter Hüsch – blieb jung und mischte sich mit Unduldsamkeit, Ironie und Selbstkritik: "Wir waren gegen die Wiederbewaffnung, bis wir sie hatten. Wir waren gegen die Notstandsgesetze, bis wir sie hatten".

Lore Lorentz, die mit ihrem Mann in den 70er Jahren das Bundesverdienstkreuz "nach kurzem Nachdenken" mit freundlich-dankbarer Entschiedenheit abgelehnt hatte, nahm 1986 den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen an. Die First Lady des politischen Kabaretts starb 73-jährig 1994. Ihren Mann hatte sie um nur ein Jahr überlebt. Nach dessen Tod aber hatte sie bereits das "Kom(m)ödchen" an jüngere Hände übergeben: ihren Sohn Kay Sebastian Lorentz. Der führt es seither und führt es weiter, über die Grenzen des literarischen Kabaretts hinaus in andere Formen und Formate. Das Entertainment, die Comedy und deren Vertreter, die Stadien füllen, "heute"-Shows und Fernsehshows nu(h)r so reihen, als Zeitgeist zu verstehen, aber den guten Geist aus der Flasche, pardon: aus dem "Kom(m)ödchen" nicht zu vergraulen, das ist die Kunst.