Im Porträt: Die Schriftstellerin Kathrin Heinrichs

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Eigentlich ist Kathrin Heinrichs Kabarettistin. Und dazu noch Expertin für blutige Geschichten. Mehr als zehn Krimis hat die 51-jährige Schriftstellerin veröffentlicht. Sie alle spielen in ihrer Heimat, dem Sauerland.

Menden im Norden des Sauerlands. Hier lebt Kathrin Heinrichs, in einem ruhigen Einfamilienhaus am Rande des Waldes. In ihrem jüngsten Buch wagt die Autorin den Blick hinaus aus ihrem Zuhause. Sie schildert die Geschichte einer Flucht aus Schlesien, die im Zweiten Weltkrieg beginnt und im Heute endet. Es ist ein Buch, das den Abschied zum Thema macht, und doch von einer Annäherung erzählt.

Drei Frauen aus drei Generationen treffen in dem Roman aufeinander. Da ist Burgel, die 1945 als kleines Mädchen von Breslau ins Sauerland fliehen muss. Burgels Tochter Ina, die viele Jahre später ihre demenzkranke Mutter pflegt und mit ihrem Ehemann streitet. Und schließlich die Studentin Jule, Inas Tochter, die mit ihren Zukunftsplänen hadert. Sie alle kämpfen mit dem Verlust von Sicherheiten. „Ich möchte zeigen, wie Prägungen und Traumata innerhalb einer Familie weitergegeben werden“, sagt Kathrin Heinrichs. „Und wie eng Probleme aus der Gegenwart mit der Vergangenheit verwoben sind.“ Jeder Arbeitstag beginnt für Kathrin Heinrichs im Wald. Zusammen mit ihrem Mischlingshund Bruno dreht sie dort lange Runden und läuft sich ihren Kopf frei. Im Wald schreibt sie keine Geschichten, sondern denkt sie. Zwischen raschelnden Blättern und zwitschernden Vögeln plant Heinrichs Kapitel vor, formuliert Passagen um, erfindet neue Figuren.

In ihrem Arbeitszimmer werden ihre Ideen konkret. Zettel mit Plot-Notizen liegen verstreut herum, dazwischen Sachbücher über Schlesien. Fotos ihrer verstorbenen Eltern hängen an der Wand, daneben ein ausgestopfter Rabe, den ihr Vater mal geschossen hat. Auch wenn ihr Arbeitsplatz ein Rückzugsort ist: Kathrin Heinrichs entspricht nicht dem Klischee der introvertierten Schriftstellerin, die einsam an ihren Text feilt. Regelmäßig steht sie als Kabarettistin auf der Bühne, schlüpft in schräge Rollen oder präsentiert satirische Kriminalgeschichten. „Für mich ist das die ideale Ergänzung zur Einsamkeit des Schreibens“, sagt sie.

Ich wollte kein Kriegsbuch schreiben, sondern eine moderne Geschichte, die die Vergangenheit berührt.
Kathrin Heinrichs

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie blieben aber auch ihre Bühnen leer. In den ersten Wochen fiel es ihr schwer, sich auf ihre Arbeit zu fokussieren. Zu groß die existenziellen Sorgen, zu schwer das Gewicht der globalen Krise. Erst nach und nach fand sie zurück in die Konzentration. Und zur Romanidee, die sie schon lange mit sich herumgetragen hat. Viele Monate hat Kathrin Heinrichs recherchiert, Interviews geführt und sich mit den familiären „Wurzeln“ ihrer Romanfiguren beschäftigt. Die Corona-Hilfen des Landes gaben ihr die Freiheit, sich ganz diesem Projekt zu widmen. Ein erstes Manuskript ist inzwischen fertig.

„Ein Seelenbuch“ – so beschreibt Kathrin Heinrichs ihren ersten Roman. Viel Persönliches ist in den Text eingeflossen. Denn einige Probleme und Sorgen, mit denen Burgel, Ina und Jule konfrontiert sind, kennt die Autorin aus ihrem eigenen Leben. Heinrichs Mutter ist selbst ein „Fluchtkind“. Als sie an Demenz erkrankte, blickte sie in Flashbacks zurück in ihre Kindheit – und begann zu erzählen.

Kathrin Heinrichs begleitete ihre Mutter bei diesem aufwühlenden Prozess. Sie half ihr dabei, lang verdrängte Erinnerungen in einem Tagebuch festzuhalten, eine wichtige Quelle für ihr Romanprojekt. „So schrecklich die Demenz auch war, das Erinnern an die Vergangenheit hat meine Mutter und mich wieder näher zueinander gebracht“, sagt Heinrichs. „Ich konnte viel besser nachvollziehen, warum meine Mutter ist wie sie ist – und dadurch auch mich besser verstehen.“ Ihr Buch, sagt sie, sei deshalb auch eine Geschichte über das Ankommen. „Es gibt nicht für jeden Schicksalsschlag eine Lösung“, sagt Kathrin Heinrichs. „Aber es gibt ein Danach.“

Text
Kristina Schulze

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