Im Porträt: Katharina Sieverding

KunstKunstDüsseldorfJoseph Beuys
Die Abstraktion des eigenen Bildes ist das immer wiederkehrende Motiv und Thema ihres Arbeitens. In den verschiedensten Medien und Techniken sucht Katharina Sieverding unermüdlich nach dem Bild hinter dem Bild ihrer selbst. Und damit nach einer Antwort auf die Frage: Was ist das Ich?

Die Suche nach der Identität beschäftigt die Künstlerkreise Ende der 60er Jahre viel. Da lebte Katharina Sieverding schon in Düsseldorf, wo sie von 1967 bis 1972 an der Kunstakademie Meisterschülerin bei Joseph Beuys war. Dort wurde – obschon der Meister selbst von den technischen Medien nicht viel hielt - durchaus mit Fotografie und Film gearbeitet und experimentiert. Sieverdings Kommilitonen damals: Ulrike Rosenbach, Imi Giese und Imi Knoebel, Lothar Baumgarten, Anselm Kiefer, Reiner Ruthenbeck. „Für mich“, so formulierte es die Künstlerin 2004 in einem Interview, „war die Fotografie oder der Film ein potenzieller Ausweg aus der Vorherrschaft der Kunstgeschichte der Vergangenheit in neue Bereiche der Identifikation, Haltung und Methoden der künstlerischen Praxis als Künstlerin.“

Bevor sie allerdings 1967 in die Klasse von Joseph Beuys wechselte, ist Sieverding u.a. Schülerin und Assistentin des Bühnenbildners Theo Otto gewesen. Ihr Weg zur Kunst führte sie also zunächst über das Theater. So verwundert es nicht, dass Masken und Rollenspiel nicht nur in ihren Performances und der Body Art, sondern auch in der Bildkunst, in ihren experimentellen Foto- und Filmarbeiten, eine zentrale Rolle einnehmen. Obwohl die Ankunft der amerikanischen Fluxus-Künstler an der Düsseldorfer Akademie damals für große Aufregung gesorgt hatte, wandte sich Sieverding schon während ihres Studiums von den allzu spielerischen Fluxus-Attitüden ab. Sie interessierte sich für das Subjekt, für seine gesellschaftlichen Bedingungen und Einschreibungen. Auf diesem Weg ist sie bis heute fortgeschritten.

An der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Individuum greifen ihre Arbeiten die alten Themen von Selbst- und Weltwahrnehmung auf, wandeln sie um in zeitgenössische Fragestellungen – schließlich gehört Sieverding zu jener Künstlergeneration, die mit ihren Arbeiten auch politisch eingreifen und wirken wollte. Zwischen 1972 und 1988 hielt sie sich zu Studienzwecken auch in den USA, China und der Sowjetunion auf, daneben lehrte sie an verschiedenen Orten, hatte z.B. von 1992 bis 2007 eine Professur an der Hochschule der Künste Berlin inne.

Besonders das eigene Gesicht wird der Künstlerin zum Spiegel von Befindlichkeiten und Rollenverhalten, zur Projektionsfläche ihres Nachdenkens über das (weiblich codierte) Ich und seine Lebenswelt. Das Sehen, der Blick, die Augen, viele Jahre lang bleiben sie ihr zentrales Motiv. Die Wiederholung des eigenen Gesichts mit minimalen Abweichungen wird bald zu ihrem Markenzeichen.

Köpfe
Im Porträt: Joseph Beuys
Sein Hut war legendär, seine Kunst umstritten, sein Einfluss groß: Gemeint ist Joseph Beuys.

Katharine Sieverding experimentiert bei der Bildentwicklung, manipuliert die chemischen Prozesse, färbt die Fotografien mit roten Filtern ein. So sind die Gesichter mal rot, mal golden glänzend, dann auch umgekehrt im Negativ, silbrig, grau und dunkelgrau mit hellen oder dunklen Konturen. Minimale Variationen der Mimik. Lachend, mit wilder Lockenmähne, das war ganz früh. Einmal mit einer durchlöcherten weißen Maske, ein andermal nur Hände, Jeans, Stiefel, blanke Brüste oder Messer, die ins Porträtbild stechen, ein heran gezoomtes Auge. Bald erscheint die Künstlerin in ihren Bildern mit streng nach hinten gebundenem glatten Haar und meist ohne Lachen. Allenfalls ein paar mondäne Posen, ein kühles Flirten mit dem Bildbetrachter gestattet sie sich. Mitunter auch zerstört die Bildbearbeitung das Gesicht, dann sieht das Antlitz aus als zerflösse es, so,als hätte sich eine andere Person in und unter die Haut der Porträtierten gedrängt.

Anfang der 70er Jahre beginnt sie mit diesen Mehrfachprojektionen, bei denen sie männliche und weibliche Gesichter ineinander blendet und die Idee des ungeteilten Selbst in Frage stellt. Das in der Installation „Transformer“ untrennbar verschmolzene Männliche und Weibliche wurde Mitte der 70er Jahre von den Initiatorinnen einer feministischen Ausstellung mit der Begründung abgelehnt, ein Mann als Objekt habe bei ihnen nichts verloren. „Aus der Emanzen-Schublade war ich also schnell wieder raus“, kommentierte die mehrfache Biennale- und Documenta-Teilnehmerin Sieverding.

Mit ihrem langjährigen Partner, Wegbegleiter und Vater der drei gemeinsamen Kinder, dem Fotografen Klaus Mettig, hatte sie 1976 bis 78 ausgedehnte Reisen nach China und Amerika unternommen, die in verschiedener Weise in ihrer beider Kunst einflossen. Schon von Beginn an ist der Film Teil ihres künstlerischen Arbeitens, die Themen: emotional besetzte, persönliche Erinnerungen, globale Probleme, divergierende Ideologien. Mit der eigenen eindringlichen Präsenz, unterstützt von dramatischem Make-up und schillernder Garderobe, untersucht die Künstlerin besonders in ihren frühen Filmen die existentiellen Dimensionen der eigenen Identität, die Balance zwischen der Sehnsucht nach dem Leben und der Sehnsucht nach dem Tod. Dieses ganz große Theater des Daseins ist ein Thema, dem Katharina Sieverding in ihrer Kunst bis heute treu geblieben ist.

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