„Katharina Fritsch gilt als eine der der wichtigsten Bildhauerinnen der Gegenwart. Ihre Arbeiten sind im besten Sinne anregend und irritierend zugleich." So begründete Landrat Thomas Hendele, die Entscheidung der Stiftungsgremien. Die Bildhauerin erhält dieses Jahr den Großen Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland. Er zählt zu den höchstdotierten Kulturpreisen in Deutschland.

Man kennt ihre oft fast surrealen Geschöpfe: Madonna und Elefant, Ratte, Fliege, Pudel und Mönch. Makellosen Objekte, die unbeweglich wirken und oft schon durch ihre Größe irritieren. Immer wieder erstaunen auch die perfekten, intensiv pudrigen Oberflächen, die Fritsch schafft. Es sieht aus, als wäre das Pigment direkt auf der Haut nur eben aufgetragen worden. Und doch strahlt es aus der Tiefe, saugt den Blick ein, erscheint manchmal fast weich.

Fritsch, 1956 in Essen geboren, lehrte bis zur Pensionierung 2019 als Professorin für Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo sie selbst einst bei Fritz Schwegler studiert hatte. Im selben Jahr, als sie mit dem Studium fertig wurde, gelang Fritsch in Kasper Königs Düsseldorfer Ausstellung „Von hier aus“ der internationale Durchbruch. Seither gastierte sie in etlichen großen Museen weltweit: 1987 präsentierte sie ihren großen grünen Elefanten im Krefelder Kaiser Wilhelm Museum, 1993 eroberte Fritsch die US-Szene mit einer ersten großen Einzelausstellung in New York. Für Aufsehen sorgte dort vor allem der „Rattenkönig“ – eine Ansammlung schwarzer Riesennager, mit hoffnungslos verknoteten Schwänzen aneinander gefesselt.

Für Fritsch folgten Auftritte in San Francisco, London, Chicago, München, Stuttgart, Basel, Zürich, Hamburg… 1995 vertrat sie Deutschland auch einmal auf der Biennale in Venedig zusammen mit dem Bildhauer Martin Honert und dem Fotografen Thomas Ruff. Ihr raumfüllender Beitrag im deutschen Pavillon war das Modell eines „Ideal-Museums“: ein Trumm auf achteckigem Sockel, umgeben und abgeschirmt von einem schwarzen Plastik-Wald. Es sollte „auch eine Trutzburg gegen den kulturellen Massenbetrieb darstellen“, wie es damals hieß.

Überhaupt fühlt Fritsch sich offenbar nicht recht wohl im kommerziellen Kunstbetrieb. Sie – die Ernste – arbeitet lieber still und beharrlich für sich. Auch ihre immer sorgfältig modellierten idealtypischen Figuren scheinen sich selbst zu genügen. Die multiplizierten Männer der „Tischgesellschaft“ (1988) ebenso wie die Protagonisten ihres Werkes „Tisch mit eineiigen Zwillingen (Herr Wiegmann und Herr Wiegmann, 1985)“ – jenes autistische Paar, das in schönster Symmetrie und Zentralperspektive eine Situation traurig-störrischer Selbstgenügsamkeit vor Augen führt. Alles Individuelle, Chaotische, Unvorhersehbare, irgendwie an Leben Erinnernde wird getilgt, aufgesaugt von kühler Perfektion.

Die ausdrückliche Künstlichkeit all ihrer Gestalten erinnert an Computerdesign und digitale Projektionen – leer und maskenhaft, gestylt zu faszinierender Vollkommenheit und doch ein bisschen rätselhaft, mit hintergründigem Humor. Was sonst sollen die schwarzen Pudel mit Christuskind? „Niedlich (…), aber so’n bisschen fies“, so hat die Künstlerin selbst einmal dies Arbeit kommentiert.

Die Wiedererkennbarkeit und fraglose Direktheit ihrer Figuren und Objekte irritiert mindestens genauso wie das Geheimnis, das die Personen und Dinge zu umgeben scheint. Immer erinnern sie an irgendetwas. Hat das mit Träumen zu tun? Mit der Kindheit? Mit einem Film, einem leeren oder einem übervollen Warenhaus, einer Bühne? Wessen Bilder und Erinnerungen sind das? Und warum kommen sie uns so bekannt vor? Fragen, die sich sicher manch einer stellt – ohne eine befriedigende Antwort darauf zu finden.